Seite - 78 - in Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
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der Perspektive der Pflegethik werden in diesem Bereich im deutsch-
sprachigen Raum entscheidungs- und handlungsfähige Krisenstäbe ver-
misst.
• In der öffentlichen Wahrnehmung sind die Pflegeheime das Problem,
die Krankenhäuser jedoch die Lösungsanbieter?! – Hier tut ein Erken-
nen und Anerkennen Not, wie wenig der Altenpflegesektor (ambulant
und stationär) bislang im Blick ist, wie ungleich die Aufmerksamkeit
und die Anerkennung für Pflege- und Versorgungsleistungen sind. Die
Krise sollte ein Anlass zu strukturellen Verbesserungen sein; dieser Dis-
kurs muss jetzt auf der institutionellen und politischen Ebene geführt
werden, nicht nur um aus der Corona-Krise herauszukommen, sondern
um der bereits zuvor bestehenden kritischen Situation in der Langzeit-
pflege und in der ambulanten Pflege entgegenzuwirken.
Wie schon erwähnt, sollen die Maßnahmen in der Corona-Krise dem
Schutz der alten und hochaltrigen Menschen dienen – in einem gesell-
schaftlichen Kontext, der strukturell altersdiskriminierend ist, ist das ein
Widerspruch par excellence. Diese Diskriminierung14 trifft nicht nur struk-
turell die Einrichtungen der Altenpflege, sondern auch deren Mitarbei-
ter*innen und die zu Pflegenden.
• Aus Gründen der Gerechtigkeit, Fairness und Unparteilichkeit ist da-
ran zu erinnern, dass die Mittel für Prävention, Pflege, Behandlung
und Betreuung in einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem
fair verteilt werden sollen. Wenn es um das Leben und die Gesundheit
geht, gilt jede Gesundheitsinstitution gleich viel. Dies bedeutet u. a.,
dass die Langzeitpflege gegenüber der Akutpflege nicht nachrangig be-
handelt werden darf.
• Es ist anzuerkennen, dass die jetzige Krise frühere Fehlentscheidungen
und Versäumnisse im Gesundheitswesen ans Tageslicht bringt und die
Chance eröffnet, diese konstruktiv aufzugreifen und Veränderungen
anzuregen. Berufs- und Fachverbände ebenso wie lokale und regionale
Behörden und die entsprechenden politischen Organe sind gefordert,
die Langzeitpflege gleichermaßen und angemessen in ihre Programme
und Unterstützungsmaßnahmen zu integrieren.
• Akut braucht es (immer noch) Finanzmittel für Entlastungs- und für
Schutzmaßnahmen. Die Frage der Finanzierung ließe sich bei diesem
14 Vgl. Rothermund/Mayer, Altersdiskriminierung; Schär-Bütikofer, Altersdiskrimi-
nierung in der Akutpflege. Sargent-Cox, Ageism: we are our own worst enemy;
Dinges, „lebenssatt oder lebensmüde?“.
Stefan Dinges
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise"
Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik