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abzunehmen, die in einzelnen Fällen emotional gravierend sein können“,
und „die Kriterien zur Zuweisung von medizinischen Ressourcen klarzu-
machen“.
Im Folgenden sollen die einzelnen Kriterien vorgestellt werden:
1. Die außerordentlichen Aufnahme- und Entlassungskriterien betreffen
alle Intensivpatienten (nicht nur COVID-19-Patienten) und sollen lo-
kal flexibel „an die konkreten Ressourcen, an die Möglichkeit, Patien-
ten zu verlegen, an die Anzahl an aktuellen und vorhergesagten Neu-
infektionen angepasst werden“.
2. Die akute Anhebung der Gesamt-Intensivbettenanzahl gewährleistet
nicht eine adäquate Therapie des einzelnen Patienten, da durch die hö-
here Anzahl von aufgenommenen Patienten Ressourcen, Aufmerk-
samkeit und Energie für den einzelnen Patienten reduziert würden.
Durch die Verringerung der selektiven chirurgischen und ambulanten
Tätigkeit und der Knappheit der intensiven Ressourcen sei zudem ein
„Anstieg der Mortalität aufgrund klinischer Erkrankungen, die nicht
mit der aktuellen Epidemie in Zusammenhang stehen“, zu erwarten.
3. In Betracht gezogen wird, „ein Alterslimit zur Aufnahme an einer ICU
einzuführen“, wobei betont wird, dass es sich „nicht um eine reine
Werteentscheidung“ handelt, sondern dass „Ressourcen, die höchstgra-
dig eingeschränkt sein könnten, in primis denen, die die höchste Über-
lebenswahrscheinlichkeit haben, und in einem zweiten Schritt jenen,
denen am meisten potentielle Lebenszeit gerettet werden kann“, ange-
boten werden sollen. Ausdrücklich wird von einer „Maximierung des
Nutzens für eine möglichst große Zahl von Menschen“ gesprochen
und erneut das First Come, First Served-Prinzip abgelehnt.
4. In Bezug auf Komorbiditäten, Allgemeinzustand und Alter wird fest-
gehalten, dass sie aufmerksam beurteilt werden müssen, da sie den
Verlauf und die Schwere der Erkrankung maßgeblich beeinflussen
können und aufgrund des Aufwands von Ressourcen Auswirkungen
haben auf das Gesundheitssystem. Verwiesen wird auf die bereits gel-
tenden Kriterien im Falle von multiplem Organversagen im Endstadi-
um sowie für die Aufnahme auf die Intensivstation.
5. Betont wird, dass „der vermeintliche oder hinterlassene Wille des Pati-
enten (z.
B. durch eine Patientenverfügung) berücksichtigt werden
muss, insbesondere bei jenen Personen, die bereits eine Zeit der chro-
nischen Krankheit durchlaufen haben und bei denen (gemeinsam mit
den Betreuern) eine von allen geteilte Vorausplanung der Behandlung
definiert wurde“.
Martin M. Lintner
92
https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise"
Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik