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dung des therapeutischen Übereifers sowie die moralische Erlaubtheit der
freiwilligen Aussetzung von Therapien beinhaltet. Als drittes Argument
verweist Mori schließlich auf das im SIAARTI-Dokument angeführte Prin-
zip der Verteilungsgerechtigkeit im Kontext knapper Ressourcen.
Mazzon (Mazzon 2020) ging unter anderem auf die in der öffentlichen
Debatte kontrovers diskutierte dritte Empfehlung des Alterslimits bei der
Aufnahme auf die Intensivstation der SIAARTI ein. Er erläuterte sie, in-
dem er die Zusammenschau der unterschiedlichen spezifischen klinischen
Bedingungen als Kriterium dafür nannte, ob ein Patient bzw. eine Patien-
tin eine intensivmedizinische Behandlung in Anspruch nehmen kann. Da-
bei müssen, so Mazzon, das „biologische Alter (das sich vom kalendari-
schen Alter unterscheidet) wie auch der funktionelle Status und die beglei-
tenden Pathologien von Patienten“ sowie die Frage, ob schwere Nebenwir-
kungen zu erwarten sind, berücksichtigt werden, besonders hinsichtlich
des Umstandes, dass die an einer schweren Lungenentzündung erkrankten
COVID-19-Patienten in der Regel zwei bis drei Wochen lang intubiert
werden mussten. Auch unter den Bedingungen von Triage ist zu beden-
ken, dass
„unabhängig davon, ob Ressourcen verfügbar sind oder nicht, diese
Einschätzungen zu der Überzeugung führen können, dass eine Einwei-
sung auf die Intensivstation unnötig, manchmal sogar potenziell
schädlich sein und der Patient von einer nicht intensiven oder palliati-
ven Versorgung mehr profitieren kann.“
Den Vorwurf der Altersdiskriminierung jedenfalls wies er zurück:
„Das Alterskriterium ist nur einer der Parameter, auf die sich eine
‚Triage‘ für die Aufnahme auf die Intensivstation stützen kann. Tat-
sächlich können Bedingungen auftreten, bei denen auf der Grundlage
der genannten Kriterien in ihrer Gesamtheit die Aufnahme eines zwar
älteren Patienten, der jedoch ein besseres klinisches Bild aufweist, auf
die Intensivstation indiziert sein kann.“
Zur Triage als konkreter Maßnahme
In vielen italienischen Krankenhäusern war Triage wochenlang eine not-
wendige Maßnahme. Wie bereits erwähnt, war aufgrund der hohen Rate
von Neuinfektionen, der überdurchschnittlich langen Behandlungsdauer
von Intensivpatienten und der mangelhaften intensivmedizinischen Kapa-
zitäten eine klinisch angemessene Behandlung aller Patientinnen und Pati-
3.3 Das Triage-Problem in Italien während der COVID-19-Pandemie
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise"
Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik