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dass auch unser Gesundheitssystem über unzureichende intensivmedizini-
sche Ressourcen verfüge und es daher zwangsläufig zu Triage-Situationen,
d. h. einer Bewertung kranker Menschen im Hinblick auf die Zuteilung
bzw. die Vorenthaltung von medizinischen Ressourcen, kommen müsste.
Triage und ihre Auswirkungen
Triage allgemein
Die Ankündigung in Zeiten einer Pandemie, in der viele Menschen betrof-
fen sind, in der viele Menschen befürchten, infiziert zu werden, es werde
bei Fortschreiten der Infektion zu einem Engpass an Spitalsbetten und ins-
besondere an Intensivbehandlungsbetten kommen und man werde daher
die betroffenen, schwer erkrankten Menschen „triagieren“ müssen, d.h.
man werde eine Auswahl treffen müssen, welchem Kranken man ein In-
tensivbett bzw. ein Beatmungsgerät zur Verfügung stellt, derartige Aussa-
gen gleichen politischem Schwachsinn und bewirken nur eines: steigende
Angst in der Bevölkerung. Denn zumindest für die potenziell betroffene
Bevölkerung erscheint es so, dass man mit der „Triage“ nun ein neues Ins-
trument zur Auswahl von kranken Menschen entwickelt, denen man eine
medizinische Unterstützung zu teil werden lässt, während man andere Be-
troffene davon ausnimmt. Dieser Begriff und das damit verbundene Voka-
bular wurden einfach in den Medien platziert, ohne darauf hinzuweisen,
dass es sich dabei um ein schon lange gebrauchtes Tool in der Patientense-
lektion im Kriegsfall und in Katastrophensituationen handelt, vor allem
aber auch, ohne den potenziell Betroffenen mitzuteilen, nach welchen Kri-
terien man eine solche Evaluierung durchführen wird bzw. durchführen
wird müssen4,5.
Triage ist nichts Neues. Die „Sichtung“ von Patienten im Sinn einer
Auswahl, welche von ihnen man aufgrund beschränkter Ressourcen einer
gezielten Behandlung zuführen kann, eine solche Vorselektion ist grund-
sätzlich seit Langem bekannt. Wahrscheinlich reicht sie bis an den Beginn
der Menschheit zurück, es kann nur nicht bewiesen werden. Bewiesen
werden hingegen kann, dass die Sichtung von Verwundeten und Schwer-
verletzten in der Militärgeschichte im Zusammenhang mit kriegerischen
2.
2.1
4 Vgl. Lippelt et al., Vorbereitung auf medizinische Großschadensereignisse.
5 Vgl. Gretenkort, Begrenzte Ressourcen – die Allokationsproblematik beim Massen-
anfall von Berletzten.
Wolfgang Kröll
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise"
Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik