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deln in sich gut ist, kann es auch ein größeres Gut sein als das, was ich
selbst durch die Suche nach der Lust erhalten könnte. Folgende zwei Dog-
men Sidgwicks sind also, wie Rashdall betont44, nicht miteinander verein-
bar, sie neutralisieren sich gegenseitig:
1. Es ist vernünftig, altruistisch zu sein.
2. Vernünftig zu sein ist nicht etwas in sich Gutes für den, der vernünftig
ist, bzw. ist kein innerer Wert.
Die Haltung des guten Menschen in der Interpretation von Sidgwick läßt
sich mit Rashdall so erläutern:
I see that it is reasonable for me to prefer my neighbour’s good, but
this preference has in it nothing intrinsically desirable or beautiful or
noble or worth having for its own sake. Duty is duty, but it is not
good. Duty is reasonable, but pleasure is better; what the irrational
man secures to himself by selfishness is intrinsically better than what
the good man gets by obeying the voice of Reason within him.45
Menschenwürde und unbedingte Pflicht
Ein „idealer Utilitarismus“ à la Rashdall würde nun gerade behaupten,
dass ein Handeln gemäß der Vernunft, der sittlichen Forderung oder sei-
nem Gewissen selbst innerlich wertvoll ist. Versteht man die sittliche For-
derung als unbedingte, kategorische, muss es sich außerdem um den
höchsten Wert handeln, zu dessen Realisierung der Mensch unbedingt ver-
pflichtet ist. Diese Unbedingtheit ist möglich, da es allein am Menschen
liegt, ob er den Standpunkt der Moral, der Liebe als Wohlwollen und
Wohltun, der Goldenen Regel oder den gegenteiligen Standpunkt ein-
nimmt. Diesen intrinsischen und unbedingten Wert nennt Kant „Würde“
im Unterschied zum „Preis“:
Im Reiche der Zwecke hat alles entweder einen Preis, oder eine Wür-
de. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes als
Äquivalent gesetzt werden; was dagegen über allen Preis erhaben ist,
mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.46
6.
44 Rashdall, Theory, I 59.
45 Rashdall, Theory, I 69.
46 Kant, Grundlegung, IV 434. Kantianismus, Utilitarismus und die Menschenwürde
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Die Corona-Pandemie - Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise"
Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik