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Gefährdung der „Volksgesundheit“
Die Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten (§§178f
StGB) setzt zunächst eine geeignete Handlung voraus, um die Gefahr der
Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizufüh-
ren. Dabei gelten als übertragbare Krankheiten jene, bei denen ein Krank-
heitserreger unmittelbar oder mittelbar von einem Individuum auf ein an-
deres übergehen kann.8 Im Unterschied zu den Körperverletzungsdelikten
kommt es hier nicht darauf an, dass tatsächlich jemand durch das Verhal-
ten eines anderen infiziert wird, sondern es reicht aus, dass die Gefahr einer
Verbreitung, also eine Zunahme des Ausdehnungsbereichs der Krankheit
herbeigeführt wird, ohne dass es epidemischer Ausmaße bedürfe.9
Damit die Strafbarkeit nicht zu sehr ausufert, muss die Krankheit ihrer
Art nach zu den zumindest beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krank-
heiten gehören, um nicht auch relativ ungefährliche Krankheiten wie
Schnupfen oder Grippe unter das Delikt zu subsumieren.10 Diese Anzeige-
bzw. Meldepflicht ist eine objektive Bedingung der Strafbarkeit,11 die dem
Täter weder bewusst noch für ihn erkennbar gewesen sein muss.
COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit, deren Erreger unmittelbar
oder mittelbar von einem Individuum auf ein anderes übergehen kann.
Die Krankheit ist meldepflichtig nach §1 Abs.1 Z. 1 Epidemiegesetz,12 wo-
durch auch die genannte objektive Bedingung der Strafbarkeit als Voraus-
setzung für eine Subsumtion unter §§178f StGB erfüllt ist.
Vorsätzliche und fahrlässige Begehungsweise
Das Strafrecht erfasst sowohl bei der Körperverletzung als auch der Gefähr-
dung von Menschen durch übertragbare Krankheiten vorsätzliche und
fahrlässige Begehungsweisen. Fahrlässigkeit im Sinne von §6 StGB setzt die
objektive Sorgfaltswidrigkeit eines Verhaltens voraus. Eine solche liegt vor,
wenn entweder gegen eine positivierte Rechtsvorschrift (Gesetz oder Ver-
2.2
2.3
8 Vgl. Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 §178 Rz 2.
9 Vgl. Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 §178 Rz 8; Murschetz in WK2 StGB §§178,
179 Rz 2.
10 Vgl. Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 §178 Rz 5.
11 Siehe etwa Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 §178 Rz 4; Murschetz in WK2 StGB
§§178, 179 Rz 5.
12 Epidemiegesetz 1950, BGBl.186/1950. Die Bestimmung nennt MERS-CoV (Mid-
dle East Respiratory Syndrome Coronavirus/„neues Corona-Virus“).
Alois Birklbauer
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https://doi.org/10.5771/9783748910589, am 02.10.2020, 10:33:08
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Die Corona-Pandemie
Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Titel
- Die Corona-Pandemie
- Untertitel
- Ethische, gesellschaftliche und theologische Reflexionen einer Krise
- Autoren
- Wolfgang Kröll
- Johann Platzer
- Hans-Walter Ruckenbauer
- Herausgeber
- Walter Schaupp
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-1058-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 448
- Schlagwörter
- Philosophie, Theologie, Gesellschaft, Gesundheitssystem, Biopolitik, Menschenwürde, Bioethik, Intensivmedizin, Gesundheitsethik, Covid-19, Triage, Ethik, Strafrecht und Grundrechte, Krankenhausseelsorge, Spiritual Care, Pflegeheim, Social Distancing
- Kategorien
- Coronavirus
- Medizin
- Recht und Politik