Seite - 8 - in Das Schloss
Bild der Seite - 8 -
Text der Seite - 8 -
Nötige über ihn wußte, die Kräfteverhältnisse abgewogen hatte und den
Kampf lächelnd aufnahm. Es war aber andererseits auch günstig, denn es
bewies, seiner Meinung nach, daß man ihn unterschätzte und daß er mehr
Freiheit haben würde, als er hätte von vornherein hoffen dürfen. Und wenn
man glaubte, durch diese geistig gewiß überlegene Anerkennung seiner
Landvermesserschaft ihn dauernd in Schrecken halten zu können, so täuschte
man sich; es überschauerte ihn leicht, das war aber alles.
Dem sich schüchtern nähernden Schwarzer winkte K. ab; ins Zimmer des
Wirtes zu übersiedeln, wozu man ihn drängte, weigerte er sich, nahm nur vom
Wirt einen Schlaftrunk an, von der Wirtin ein Waschbecken mit Seife und
Handtuch und mußte gar nicht erst verlangen, daß der Saal geleert wurde,
denn alles drängte mit abgewendeten Gesichtern hinaus, um nicht etwa
morgen von ihm erkannt zu werden. Die Lampe wurde ausgelöscht, und er
hatte endlich Ruhe. Er schlief tief, kaum ein-, zweimal von
vorüberhuschenden Ratten flüchtig gestört, bis zum Morgen.
Nach dem Frühstück, das, wie überhaupt K.s ganze Verpflegung, nach
Angabe des Wirts vom Schloß bezahlt werden sollte, wollte er gleich ins Dorf
gehen. Aber da der Wirt, mit dem er bisher in Erinnerung an sein gestriges
Benehmen nur das Notwendigste gesprochen hatte, mit stummer Bitte sich
immerfort um ihn herumdrehte, erbarmte er sich seiner und ließ ihn für ein
Weilchen bei sich niedersetzen.
»Ich kenne den Grafen noch nicht«, sagte K., »er soll gute Arbeit gut
bezahlen, ist das wahr? Wenn man, wie ich, so weit von Frau und Kind reist,
dann will man auch etwas heimbringen.«
»In dieser Hinsicht muß sich der Herr keine Sorge machen, über schlechte
Bezahlung hört man keine Klage.« – »Nun«, sagte K., »ich gehöre ja nicht zu
den Schüchternen und kann auch einem Grafen meine Meinung sagen, aber in
Frieden mit den Herren fertig zu werden ist natürlich weit besser.«
Der Wirt saß K. gegenüber am Rand der Fensterbank, bequemer wagte er
sich nicht zu setzen, und sah K. die ganze Zeit über mit großen, braunen,
ängstlichen Augen an. Zuerst hatte er sich an K. herangedrängt, und nun
schien es, als wolle er am liebsten weglaufen. Fürchtete er, über den Grafen
ausgefragt zu werden? Fürchtete er die Unzuverlässigkeit des »Herrn«, für
den er K. hielt? K. mußte ihn ablenken. Er blickte auf die Uhr und sagte:
»Nun werden bald meine Gehilfen kommen, wirst du sie hier unterbringen
können?«
»Gewiß, Herr«, sagte er, »werden sie aber nicht mit dir im Schlosse
wohnen?«
Verzichtete er so leicht und gern auf die Gäste und auf K. besonders, den er
8
zurück zum
Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik