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die gleiche Stimme. Daß man K. kannte, schien ihn nicht zu empfehlen.
Endlich verflüchtigte sich ein wenig der Rauch, und K. konnte sich
langsam zurechtfinden. Es schien ein allgemeiner Waschtag zu sein. In der
Nähe der Türe wurde Wäsche gewaschen. Der Rauch war aber aus der
anderen Ecke gekommen, wo in einem Holzschaff, so groß, wie K. noch nie
eines gesehen hatte – es hatte etwa den Umfang von zwei Betten -, in
dampfendem Wasser zwei Männer badeten. Aber noch überraschender, ohne
daß man genau wußte, worin das Überraschende bestand, war die rechte
Ecke. Aus einer großen Lücke, der einzigen in der Stubenrückwand, kam
dort, wohl vom Hof her, bleiches Schneelicht und gab dem Kleid einer Frau,
die tief in der Ecke in einem hohen Lehnstuhl müde fast lag, einen Schein wie
von Seide. Sie trug einen Säugling an der Brust. Um sie herum spielten ein
paar Kinder, Bauernkinder, wie zu sehen war, sie aber schien nicht zu ihnen
zu gehören, freilich, Krankheit und Müdigkeit macht auch Bauern fein.
»Setzt Euch!« sagte der eine der Männer, ein Vollbärtiger, überdies mit
einem Schnauzbart, unter dem er den Mund schnaufend immer offenhielt,
zeigte, komisch anzusehen, mit der Hand über den Rand des Kübels auf eine
Truhe hin und bespritzte dabei K. mit warmem Wasser das ganze Gesicht.
Auf der Truhe saß schon, vor sich hin dämmernd, der Alte, der K. eingelassen
hatte. K. war dankbar, sich endlich setzen zu dürfen. Nun kümmerte sich
niemand mehr um ihn. Die Frau beim Waschtrog, blond, in jugendlicher
Fülle, sang leise bei der Arbeit, die Männer im Bad stampften und drehten
sich, die Kinder wollten sich ihnen nähern, wurden aber durch mächtige
Wasserspritzer, die auch K. nicht verschonten, immer wieder zurückgetrieben,
die Frau im Lehnstuhl lag wie leblos, nicht einmal auf das Kind an ihrer Brust
blickte sie hinab, sondern unbestimmt in die Höhe.
K. hatte sie wohl lange angesehen, dieses sich nicht verändernde schöne,
traurige Bild, dann aber mußte er eingeschlafen sein, denn als er, von einer
lauten Stimme gerufen, aufschreckte, lag sein Kopf an der Schulter des Alten
neben ihm. Die Männer hatten ihr Bad beendet, in dem sich jetzt die Kinder,
von der blonden Frau beaufsichtigt, herumtrieben, und standen angezogen vor
K. Es zeigte sich, daß der schreierische Vollbärtige der Geringere von den
zweien war. Der andere nämlich, nicht größer als der Vollbärtige und mit viel
geringerem Bart, war ein stiller, langsam denkender Mann von breiter Gestalt,
auch das Gesicht breit, den Kopf hielt er gesenkt. »Herr Landvermesser«,
sagte er, »hier könnt Ihr nicht bleiben. Verzeiht die Unhöflichkeit.« – »Ich
wollte auch nicht bleiben«, sagte K., »nur ein wenig mich ausruhen. Das ist
geschehen, und nun gehe ich.« – »Ihr wundert Euch wahrscheinlich über die
geringe Gastfreundlichkeit«, sagte der Mann, »aber Gastfreundlichkeit ist bei
uns nicht Sitte, wir brauchen keine Gäste.« Ein wenig erfrischt vom Schlaf,
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik