Seite - 25 - in Das Schloss
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mich vollständig nach seinen Absichten verhalten. Besondere Wünsche habe
ich heute nicht.« Barnabas, der genau aufgemerkt hatte, bat, den Auftrag vor
K. wiederholen zu dürfen. K. erlaubte es, Barnabas wiederholte alles
wortgetreu. Dann stand er auf, um sich zu verabschieden.
Die ganze Zeit über hatte K. sein Gesicht geprüft, nun tat er es zum
letztenmal. Barnabas war etwa so groß wie K., trotzdem schien sein Blick
sich zu K. zu senken, aber fast demütig geschah das, es war unmöglich, daß
dieser Mann jemanden beschämte. Freilich, er war nur ein Bote, kannte nicht
den Inhalt der Briefe, die er auszutragen hatte, aber auch sein Blick, sein
Lächeln, sein Gang schien eine Botschaft zu sein, mochte er auch von dieser
nichts wissen. Und K. reichte ihm die Hand, was ihn offenbar überraschte,
denn er hatte sich nur verneigen wollen.
Gleich, als er gegangen war – vor dem Öffnen der Türe hatte er noch ein
wenig mit der Schulter an der Tür gelehnt und mit einem Blick, der keinem
einzelnen mehr galt, die Stube umfaßt -, sagte K. zu den Gehilfen: »Ich hole
aus dem Zimmer meine Aufzeichnungen, dann besprechen wir die nächste
Arbeit.« Sie wollten mitgehen. »Bleibt!« sagte K. Sie wollten noch immer
mitgehen. Noch strenger mußte K. den Befehl wiederholen. Im Flur war
Barnabas nicht mehr. Aber er war doch eben jetzt weggegangen.
Doch auch vor dem Haus – neuer Schnee fiel – sah K. ihn nicht. Er rief:
»Barnabas!« Keine Antwort. Sollte er noch im Haus sein? Es schien keine
andere Möglichkeit zu geben. Trotzdem schrie K. noch aus aller Kraft den
Namen. Der Name donnerte durch die Nacht. Und aus der Ferne kam nun
doch eine schwache Antwort. So weit war also Barnabas schon. K. rief ihn
zurück und ging ihm gleichzeitig entgegen; wo sie einander trafen, waren sie
vom Wirtshaus nicht mehr zu sehen.
»Barnabas«, sagte K. und konnte ein Zittern seiner Stimme nicht
bezwingen, »ich wollte dir noch etwas sagen. Ich merke dabei, daß es doch
recht schlecht eingerichtet ist, daß ich nur auf dein zufälliges Kommen
angewiesen bin, wenn ich etwas aus dem Schloß brauche. Wenn ich dich jetzt
nicht zufällig noch erreicht hätte – wie du fliegst, ich dachte du wärest noch
im Haus -, wer weiß, wie lange ich auf dein nächstes Erscheinen hätte warten
müssen.« »Du kannst ja«, sagte Barnabas, »den Vorstand bitten, daß ich
immer zu bestimmten, von dir angegebenen Zeiten komme.« – »Auch das
würde nicht genügen«, sagte K., »vielleicht will ich ein Jahr lang gar nichts
sagen lassen, aber gerade eine Viertelstunde nach deinem Weggehen etwas
Unaufschiebbares.« – »Soll ich also«, sagte Barnabas, »dem Vorstand melden,
daß zwischen ihm und dir eine andere Verbindung hergestellt werden soll als
durch mich?« – »Nein, nein«, sagte K., »ganz und gar nicht, ich erwähnte
diese Sache nur nebenbei, diesmal habe ich dich ja noch glücklich erreicht.« –
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik