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mit Mühe kam er nach Hause, aber auf der Mauer war er doch gewesen. Das
Gefühl dieses Sieges schien ihm damals für ein langes Leben einen Halt zu
geben, was nicht ganz töricht gewesen war, denn jetzt, nach vielen Jahren in
der Schneenacht am Arm des Barnabas, kam es ihm zu Hilfe.
Er hing sich fester ein, fast zog ihn Barnabas, das Schweigen wurde nicht
unterbrochen. Von dem Weg wußte K. nur, daß sie, nach dem Zustand der
Straße zu schließen, noch in keine Seitengasse eingebogen waren. Er gelobte
sich, durch keine Schwierigkeit des Weges oder gar durch die Sorge um den
Rückweg sich vom Weitergehen abhalten zu lassen. Um schließlich
weitergeschleift werden zu können, würde seine Kraft wohl noch ausreichen.
Und konnte denn der Weg unendlich sein? Bei Tag war das Schloß wie ein
leichtes Ziel vor ihm gelegen, und der Bote kannte gewiß den kürzesten Weg.
Da blieb Barnabas stehen. Wo waren sie? Ging es nicht mehr weiter?
Würde Barnabas K. verabschieden? Es würde ihm nicht gelingen. K. hielt
Barnabas’ Arm fest, daß es ihn fast selbst schmerzte. Oder sollte das
Unglaubliche geschehen sein, und sie waren schon im Schloß oder vor seinen
Toren? Aber sie waren ja, soweit K. wußte, gar nicht gestiegen. Oder hatte ihn
Barnabas einen so unmerklich ansteigenden Weg geführt? »Wo sind wir?«
fragte K. leise, mehr sich als ihn. »Zu Hause«, sagte Barnabas ebenso. »Zu
Hause?« – »Jetzt aber gib acht, Herr, daß du nicht ausgleitest. Der Weg geht
abwärts.« – »Abwärts?« – »Es sind nur ein paar Schritte«, fügte er hinzu, und
schon klopfte er an eine Tür.
Ein Mädchen öffnete; sie standen an der Schwelle einer großen Stube fast
im Finstern, denn nur über einem Tisch links im Hintergrunde hing eine
winzige Öllampe. »Wer kommt mit dir, Barnabas?« fragte das Mädchen. »Der
Landvermesser«, sagte er. »Der Landvermesser«, wiederholte das Mädchen
lauter zum Tisch hin. Daraufhin erhoben sich dort zwei alte Leute, Mann und
Frau, und noch ein Mädchen. Man begrüßte K. Barnabas stellte ihm alle vor,
es waren seine Eltern und seine Schwestern Olga und Amalia. K. sah sie
kaum an, man nahm ihm den nassen Rock ab, um ihn beim Ofen zu trocknen.
K. ließ es geschehen.
Also nicht sie waren zu Hause, nur Barnabas war zu Hause. Aber warum
waren sie hier? K. nahm Barnabas zur Seite und fragte: »Warum bist du nach
Hause gegangen? Oder wohnt ihr schon im Bereich des Schlosses?« – »Im
Bereich des Schlosses?« wiederholte Barnabas, als verstehe er K. nicht.
»Barnabas«, sagte K., »du wolltest doch aus dem Wirtshaus ins Schloß
gehen.« – »Nein, Herr«, sagte Barnabas, »Ich wollte nach Hause gehen; ich
gehe erst früh ins Schloß, ich schlafe niemals dort.« – »So«, sagte K., »du
wolltest nicht ins Schloß gehen, nur hierher.« – Matter schien ihm sein
Lächeln, unscheinbarer er selbst. – »Warum hast du mir das nicht gesagt?« –
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik