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Rundlehnstuhl, saß, grell von einer vor ihm niederhängenden Glühlampe
beleuchtet, Herr Klamm. Ein mittelgroßer, dicker, schwerfälliger Herr. Das
Gesicht war noch glatt, aber die Wangen senkten sich doch schon mit dem
Gewicht des Alters ein wenig hinab. Der schwarze Schnurrbart war lang
ausgezogen. Ein schief aufgesetzter, spiegelnder Zwicker verdeckte die
Augen. Wäre Herr Klamm völlig beim Tisch gesessen, hätte K. nur sein Profil
gesehen; da ihm aber Klamm stark zugedreht war, sah er ihm voll ins Gesicht.
Den linken Ellbogen hatte Klamm auf dem Tisch liegen, die rechte Hand, in
der er eine Virginia hielt, ruhte auf dem Knie. Auf dem Tisch stand ein
Bierglas; da die Randleiste des Tisches hoch war, konnte K. nicht genau
sehen, ob dort irgendwelche Schriften lagen, es schien ihm aber, als wäre er
leer. Der Sicherheit halber bat er Frieda, durch das Loch zu schauen und ihm
darüber Auskunft zu geben. Da sie aber vor kurzem im Zimmer gewesen war,
konnte sie K. ohne weiteres bestätigen, daß dort keine Schriften lagen. K.
fragte Frieda, ob er schon weggehen müsse, sie aber sagte, er könne
hindurchschauen, solange er Lust habe. K. war jetzt mit Frieda allein, Olga
hatte, wie er flüchtig feststellte, doch den Weg zu ihrem Bekannten gefunden,
saß hoch auf einem Faß und strampelte mit den Füßen. »Frieda«, sagte K.
flüsternd, »kennen Sie Herrn Klamm sehr gut?« – »Ach ja«, sagte sie. »Sehr
gut.« Sie lehnte neben K. und ordnete spielerisch, wie K. jetzt erst auffiel, ihre
leichte, ausgeschnittene, cremefarbige Bluse, die wie fremd auf ihrem armen
Körper lag. Dann sagte sie: »Erinnern Sie sich nicht an Olgas Lachen?« – »Ja,
die Unartige«, sagte K. »Nun«, sagte sie versöhnlich, »es war Grund zum
Lachen. Sie fragten, ob ich Klamm kenne, und ich bin doch« – hier richtete
sie sich unwillkürlich ein wenig auf, und wieder ging ihr sieghafter, mit dem,
was gesprochen wurde, gar nicht zusammenhängender Blick über K. hin -,
»ich bin doch seine Geliebte.« – »Klamms Geliebte«, sagte K. Sie nickte.
»Dann sind Sie«, sagte K. lächelnd, um nicht allzuviel Ernst zwischen ihnen
aufkommen zu lassen, »für mich eine respektable Person.« – »Nicht nur für
Sie«, sagte Frieda freundlich, aber ohne sein Lächeln aufzunehmen. K. hatte
ein Mittel gegen ihren Hochmut und wandte es an; er fragte: »Waren Sie
schon im Schloß?« Es verfing aber nicht, denn sie antwortete: »Nein, aber ist
es nicht genug, daß ich hier im Ausschank bin?« Ihr Ehrgeiz war offenbar
toll, und gerade an K., so schien es, wollte sie ihn sättigen. »Freilich«, sagte
K., »hier im Ausschank, Sie verstehen ja die Arbeit des Wirtes.« – »So ist
es«, sagte sie, »und begonnen habe ich als Stallmagd im Wirtshaus ›Zur
Brücke‹.« – »Mit diesen zarten Händen?« sagte K. halb fragend, und wußte
selbst nicht, ob er nur schmeichelte oder auch wirklich von ihr bezwungen
war. Ihre Hände allerdings waren klein und zart; aber man hätte sie auch
schwach und nichtssagend nennen können. »Darauf hat damals niemand
geachtet«, sagte sie, »und selbst jetzt -« K. sah sie fragend an. Sie schüttelte
den Kopf und wollte nicht weiterreden. »Sie haben natürlich«, sagte K., »Ihre
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik