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Geheimnisse, und Sie werden über sie nicht mit jemandem reden, den Sie
eine halbe Stunde lang kennen und der noch keine Gelegenheit hatte, Ihnen zu
erzählen, wie es sich eigentlich mit ihm verhält.« Das war nun aber, wie sich
zeigte, eine unpassende Bemerkung, es war, als hätte er Frieda aus einem ihm
günstigen Schlummer geweckt. Sie nahm aus der Ledertasche, die sie am
Gürtel hängen hatte, ein Hölzchen, verstopfte damit das Guckloch, sagte zu
K., sichtbar sich bezwingend, um ihn von der Änderung ihrer Gesinnung
nichts merken zu lassen: »Was Sie betrifft, so weiß ich doch alles, Sie sind der
Landvermesser«, fügte dann hinzu: »Nun muß ich aber an die Arbeit«, und
ging an ihren Platz hinter dem Ausschanktisch, während sich von den Leuten
hier und da einer erhob, um sein leeres Glas von ihr füllen zu lassen. K.
wollte noch einmal unauffällig mit ihr sprechen, nahm deshalb von einem
Ständer ein leeres Glas und ging zu ihr. »Nur eines noch, Fräulein Frieda«,
sagte er, »es ist außerordentlich und eine auserlesene Kraft ist dazu nötig, sich
von einer Stallmagd zum Ausschankmädchen vorzuarbeiten, ist damit aber
für einen solchen Menschen das endgültige Ziel erreicht? Unsinnige Frage.
Aus Ihren Augen, lachen Sie mich nicht aus, Fräulein Frieda, spricht nicht so
sehr der vergangene, als der zukünftige Kampf. Aber die Widerstände der
Welt sind groß, sie werden größer mit den größeren Zielen, und es ist keine
Schande, sich die Hilfe selbst eines kleinen, einflußlosen, aber ebenso
kämpfenden Mannes zu sichern. Vielleicht könnten wir einmal in Ruhe
miteinander sprechen, nicht von so vielen Augen angestarrt.« – »Ich weiß
nicht, was Sie wollen«, sagte sie, und in ihrem Ton schienen diesmal gegen
ihren Willen nicht die Siege ihres Lebens, sondern die unendlichen
Enttäuschungen mitzuklingen. »Wollen Sie mich vielleicht von Klamm
abziehen? Du lieber Himmel!« und sie schlug die Hände zusammen. »Sie
haben mich durchschaut«, sagte K., wie ermüdet von soviel Mißtrauen,
»gerade das war meine geheimste Absicht. Sie sollten Klamm verlassen und
meine Geliebte werden. Und nun kann ich ja gehen. Olga!« rief K. »Wir
gehen nach Hause.« Folgsam glitt Olga vom Faß, kam aber nicht gleich von
den sie umringenden Freunden los. Da sagte Frieda leise, drohend K.
anblickend: »Wann kann ich mit Ihnen sprechen?« – »Kann ich hier
übernachten?« fragte K. »Ja«, sagte Frieda. »Kann ich gleich hierbleiben?« –
»Gehen Sie mit Olga fort, damit ich die Leute hier wegschaffen kann. In
einem Weilchen können Sie dann kommen.« – »Gut«, sagte K. und wartete
ungeduldig auf Olga. Aber die Bauern ließen sie nicht, sie hatten einen Tanz
erfunden, dessen Mittelpunkt Olga war, im Reigen tanzten sie herum, und
immer bei einem gemeinsamen Schrei trat einer zu Olga, faßte sie mit einer
Hand fest um die Hüften und wirbelte sie einige Male herum, der Reigen
wurde immer schneller, die Schreie, hungrig, röchelnd, wurden allmählich
fast ein einziger. Olga, die früher den Kreis hatte lachend durchbrechen
wollen, taumelte nur noch mit aufgelöstem Haar von einem zum anderen.
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Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik