Seite - 37 - in Das Schloss
Bild der Seite - 37 -
Text der Seite - 37 -
Schrecken, sondern ein tröstliches Aufdämmern, als aus Klamms Zimmer mit
tiefer, befehlend-gleichgültiger Stimme nach Frieda gerufen wurde. »Frieda«,
sagte K. in Friedas Ohr und gab so den Ruf weiter. In einem förmlich
eingeborenen Gehorsam wollte Frieda aufspringen, aber dann besann sie sich,
wo sie war, streckte sich, lachte still und sagte: »Ich werde doch nicht etwa
gehen, niemals werde ich zu ihm gehen«. K. wollte dagegensprechen, wollte
sie drängen, zu Klamm zu gehen, begann die Reste ihrer Bluse
zusammenzusuchen, aber er konnte nichts sagen, allzu glücklich war er,
Frieda in seinen Händen zu halten, allzu ängstlich-glücklich auch, denn es
schien ihm, wenn Frieda ihn verlasse, verlasse ihn alles, was er habe. Und als
sei Frieda gestärkt durch K.s Zustimmung, ballte sie die Faust, klopfte mit ihr
an die Tür und rief: »Ich bin beim Landvermesser! Ich bin beim
Landvermesser!« Nun wurde Klamm allerdings still. Aber K. erhob sich,
kniete neben Frieda und blickte sich im trüben Vormorgenlicht um. Was war
geschehen? Wo waren seine Hoffnungen? Was konnte er nun von Frieda
erwarten, da alles verraten war? Statt vorsichtigst, entsprechend der Größe
des Feindes und des Zieles, vorwärtszugehen, hatte er sich hier eine Nacht
lang in den Bierpfützen gewälzt, deren Geruch jetzt betäubend war. »Was hast
du getan?« sagte er vor sich hin. »Wir beide sind verloren.« – »Nein,« sagte
Frieda, »nur ich bin verloren, doch ich habe dich gewonnen. Sei ruhig. Sieh
aber, wie die zwei lachen.« – »Wer?« fragte K. und wandte sich um. Auf dem
Pult saßen seine beiden Gehilfen, ein wenig übernächtig, aber fröhlich; es war
die Fröhlichkeit, welche treue Pflichterfüllung gibt. »Was wollt ihr hier?«
schrie K., als seien sie an allem schuld. Er suchte ringsherum die Peitsche, die
Frieda abends gehabt hatte. »Wir mußten dich doch suchen«, sagten die
Gehilfen, »da du nicht herunter zu uns in die Wirtsstube kamst; wir suchten
dich dann bei Barnabas und fanden dich endlich hier. Hier sitzen wir die
ganze Nacht. Leicht ist ja der Dienst nicht.« – »Ich brauche euch bei Tag,
nicht in der Nacht«, sagte K., »fort mit euch.« – »Jetzt ist es ja Tag«, sagten
sie und rührten sich nicht. Es war wirklich Tag, die Hoftüre wurde geöffnet,
die Bauern mit Olga, die K. ganz vergessen hatte, strömten herein. Olga war
lebendig wie am Abend, so übel auch ihre Kleider und Haare zugerichtet
waren, schon in der Tür suchten ihre Augen K. »Warum bist du nicht mit mir
nach Hause gegangen?« sagte sie, fast unter Tränen. »Wegen eines solchen
Frauenzimmers!« sagte sie dann und wiederholte das einige Male. Frieda, die
für einen Augenblick verschwunden war, kam mit einem kleinen
Wäschebündel zurück. Olga trat traurig beiseite. »Nun können wir gehen«,
sagte Frieda; es war selbstverständlich, daß sie das Wirtshaus »Zur Brücke«
meinte, in das sie gehen sollten. K. mit Frieda, hinter ihnen die Gehilfen, das
war der Zug. Die Bauern zeigten viel Verachtung für Frieda, es war
selbstverständlich, weil sie sie bisher streng beherrscht hatte; einer nahm
sogar einen Stock und tat so, als wolle er sie nicht fortlassen, ehe sie über den
37
zurück zum
Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik