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Gemeindevorsteher, wartet unten in der Stube auf mich.« Merkwürdigerweise
folgten sie, nur daß sie vor dem Weggehen noch sagten: »Wir könnten auch
hier warten.« Und K. antwortete: »Ich weiß es, aber ich will es nicht.«
Ärgerlich aber und in gewissem Sinne doch auch willkommen war es K.,
als Frieda, die sich gleich nach dem Weggehen der Gehilfen auf seinen Schoß
setzte, sagte: »Was hast du, Liebling, gegen die Gehilfen? Vor ihnen müssen
wir keine Geheimnisse haben. Sie sind treu.« – »Ach, treu«, sagte K., »sie
lauern mir fortwährend auf, es ist sinnlos, aber abscheulich.« – »Ich glaube
dich zu verstehen«, sagte sie und hing sich an seinen Hals und wollte noch
etwas sagen, konnte aber nicht weitersprechen; und weil der Sessel gleich
neben dem Bette stand, schwankten sie hinüber und fielen hin. Dort lagen sie,
aber nicht so hingegeben wie damals in der Nacht. Sie suchte etwas, und er
suchte etwas, wütend, Grimassen schneidend, sich mit dem Kopf einbohrend
in der Brust des anderen, suchten sie, und ihre Umarmungen und ihre sich
aufwerfenden Körper machten sie nicht vergessen, sondern erinnerten sie an
die Pflicht, zu suchen; wie Hunde verzweifelt im Boden scharren, so scharrten
sie an ihren Körpern; und hilflos, enttäuscht, um noch letztes Glück zu holen,
fuhren manchmal ihre Zungen breit über des anderen Gesicht. Erst die
Müdigkeit ließ sie still und einander dankbar werden. Die Mägde kamen dann
auch herauf. »Sieh, wie die hier liegen«, sagte eine und warf aus Mitleid ein
Tuch über sie.
Als sich später K. aus dem Tuch freimachte und umhersah, waren – das
wunderte ihn nicht – die Gehilfen wieder in ihrer Ecke, ermahnten, mit dem
Finger auf K. zeigend, einer den anderen zum Ernst und salutierten; aber
außerdem saß dicht beim Bett die Wirtin und strickte an einem Strumpf, eine
kleine Arbeit, welche wenig paßte zu ihrer riesigen, das Zimmer fast
verdunkelnden Gestalt. »Ich warte schon lange«, sagte sie und hob ihr breites,
von vielen Altersfalten durchzogenes, aber in seiner großen Masse doch noch
glattes, vielleicht einmal schönes Gesicht. Die Worte klangen wie ein
Vorwurf, ein unpassender, denn K. hatte ja nicht verlangt, daß sie komme. Er
bestätigte daher nur durch Kopfnicken ihre Worte und setzte sich aufrecht.
Auch Frieda stand auf, verließ aber K. und lehnte sich an den Sessel der
Wirtin. »Könnte nicht, Frau Wirtin«, sagte K. zerstreut, »das, was Sie mir
sagen wollen, aufgeschoben werden, bis ich vom Gemeindevorsteher
zurückkomme. Ich habe eine wichtige Besprechung dort.« »Diese ist
wichtiger, glauben Sie mir, Herr Landvermesser«, sagte die Wirtin, »dort
handelt es sich wahrscheinlich nur um eine Arbeit, hier aber handelt es sich
um einen Menschen, um Frieda, meine liebe Magd.« – »Ach so«, sagte K.,
»dann freilich; nur weiß ich nicht, warum man diese Angelegenheit nicht uns
beiden überläßt.« – »Aus Liebe, aus Sorge«, sagte die Wirtin und zog Friedas
Kopf, die stehend nur bis zur Schulter der sitzenden Wirtin reichte, an sich.
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik