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und bin nur eine Wirtin, hier in einem Wirtshaus letzten Ranges – es ist nicht
letzten Ranges, aber nicht weit davon -, und so könnte es sein, daß Sie meiner
Erklärung nicht viel Bedeutung beilegen, aber ich habe in meinem Leben die
Augen offen gehabt und bin mit vielen Leuten zusammengekommen und
habe die ganze Last der Wirtschaft allein getragen, denn mein Mann ist zwar
ein guter Junge, aber ein Gastwirt ist er nicht, und was Verantwortlichkeit ist,
wird er nie begreifen. Sie zum Beispiel verdanken es doch nur seiner
Nachlässigkeit – ich war an dem Abend schon müde zum
Zusammenbrechen -, daß Sie hier im Dorf sind, daß Sie hier auf dem Bett in
Frieden und Behagen sitzen.« – »Wie?« fragte K., aus einer gewissen
Zerstreutheit aufwachend, aufgeregt mehr von der Neugierde als von Ärger.
»Nur seiner Nachlässigkeit verdanken Sie es!« rief die Wirtin nochmals, mit
gegen K. ausgestrecktem Zeigefinger. Frieda suchte sie zu beschwichtigen.
»Was willst du«, sagte die Wirtin mit rascher Wendung des ganzen Leibes.
»Der Herr Landvermesser hat mich gefragt, und ich muß ihm antworten. Wie
soll er es denn sonst verstehen, was uns selbstverständlich ist, daß Herr
Klamm niemals mit ihm sprechen wird, was sage ich ›wird‹, niemals mit ihm
sprechen kann. Hören Sie, Herr Landvermesser! Herr Klamm ist ein Herr aus
dem Schloß, das bedeutet schon an und für sich, ganz abgesehen von Klamms
sonstiger Stellung, einen sehr hohen Rang. Was sind nun aber Sie, um dessen
Heiratseinwilligung wir uns hier so demütig bewerben! Sie sind nicht aus dem
Schloß, Sie sind nicht aus dem Dorfe, Sie sind nichts. Leider aber sind Sie
doch etwas, ein Fremder, einer, der überzählig und überall im Weg ist, einer,
wegen dessen man immerfort Scherereien hat, wegen dessen man die Mägde
ausquartieren muß, einer, dessen Absichten unbekannt sind, einer, der unsere
liebste kleine Frieda verführt hat und dem man sie leider zur Frau geben muß.
Wegen alles dessen mache ich Ihnen ja im Grunde keine Vorwürfe. Sie sind,
was Sie sind; ich habe in meinem Leben schon zuviel gesehen, als daß ich
nicht noch diesen Anblick ertragen sollte. Nun aber stellen Sie sich vor, was
Sie eigentlich verlangen. Ein Mann wie Klamm soll mit Ihnen sprechen! Mit
Schmerz habe ich gehört, daß Frieda Sie hat durchs Guckloch schauen lassen,
schon als sie das tat, war sie von Ihnen verführt. Sagen Sie doch, wie haben
Sie überhaupt Klamms Anblick ertragen? Sie müssen nicht antworten, ich
weiß es, Sie haben ihn sehr gut ertragen. Sie sind ja gar nicht imstande,
Klamm wirklich zu sehen, das ist nicht Überhebung meinerseits, denn ich
selbst bin es auch nicht imstande. Klamm soll mit Ihnen sprechen, aber er
spricht doch nicht einmal mit Leuten aus dem Dorf, noch niemals hat er selbst
mit jemandem aus dem Dorf gesprochen. Es war ja die große Auszeichnung
Friedas, eine Auszeichnung, die mein Stolz sein wird bis an mein Ende, daß
er wenigstens Friedas Namen zu rufen pflegte und daß sie zu ihm sprechen
konnte nach Belieben und die Erlaubnis des Gucklochs bekam, gesprochen
aber hat er auch mit ihr nicht. Und daß er Frieda manchmal rief, muß gar
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik