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ist. Sie unterschätzen ihn, wenn Sie das glauben. Ich fühle gut, daß es
anmaßend von mir ist, Sie in dieser Hinsicht belehren zu wollen, aber ich muß
es doch tun. Durch mich kann in Klamms Beziehung zu Frieda nichts
geändert worden sein. Entweder bestand keine wesentliche Beziehung – das
sagen eigentlich diejenigen, welche Frieda den Ehrennamen Geliebte
nehmen -, nun, dann besteht sie auch heute nicht; oder aber sie bestand, wie
könnte sie dann durch mich, wie Sie richtig sagten, ein Nichts in Klamms
Augen, wie könnte sie dann durch mich gestört sein. Solche Dinge glaubt
man im ersten Augenblick des Schreckens, aber schon die kleinste
Überlegung muß das richtigstellen. Lassen wir übrigens doch Frieda ihre
Meinung hierzu sagen.«
Mit in die Ferne schweifendem Blick, die Wange an K.s Brust, sagte
Frieda: »Es ist gewiß so, wie Mütterchen sagt: Klamm will nichts mehr von
mir wissen. Aber freilich nicht deshalb, weil du, Liebling, kamst, nichts
Derartiges hätte ihn erschüttern können. Wohl aber, glaube ich, ist es sein
Werk, daß wir uns dort unter dem Pult zusammengefunden haben; gesegnet,
nicht verflucht sei die Stunde.« – »Wenn es so ist«, sagte K. langsam, denn
süß waren Friedas Worte, er schloß ein paar Sekunden lang die Augen, um
sich von den Worten durchdringen zu lassen, »wenn es so ist, ist noch
weniger Grund, sich vor einer Aussprache mit Klamm zu fürchten.«
»Wahrhaftig«, sagte die Wirtin und sah K. von hoch herab an, »Sie erinnern
mich manchmal an meinen Mann, so trotzig und kindlich wie er sind Sie
auch. Sie sind ein paar Tage im Ort, und schon wollen Sie alles besser kennen
als die Eingeborenen, besser als ich alte Frau und als Frieda, die im Herrenhof
so viel gesehen und gehört hat. Ich leugne nicht, daß es möglich ist, einmal
auch etwas ganz gegen die Vorschriften und gegen das Althergebrachte zu
erreichen; ich habe etwas Derartiges nicht erlebt, aber es gibt angeblich
Beispiele dafür, mag sein; aber dann geschieht es gewiß nicht auf die Weise,
wie Sie es tun, indem man immerfort ›Nein, nein‹ sagt und nur auf seinen
Kopf schwört und die wohlmeinendsten Ratschläge überhört. Glauben Sie
denn, meine Sorge gilt Ihnen? Habe ich mich um Sie gekümmert, solange Sie
allein waren? Obwohl es gut gewesen wäre und manches sich hätte vermeiden
lassen. Das einzige, was ich damals meinem Mann über Sie sagte, war: Halte
dich von ihm fern., Das hätte auch heute noch für mich gegolten, wenn nicht
Frieda jetzt in Ihr Schicksal mit hineingezogen worden wäre. Ihr verdanken
Sie – ob es Ihnen gefällt oder nicht – meine Sorgfalt, ja sogar meine
Beachtung. Und Sie dürfen mich nicht einfach abweisen, weil Sie mir, der
einzigen, die über der kleinen Frieda mit mütterlicher Sorge wacht, streng
verantwortlich sind. Möglich, daß Frieda recht hat und alles, was geschehen
ist, der Wille Klamms ist; aber von Klamm weiß ich jetzt nichts; ich werde
niemals mit ihm sprechen, er ist mir gänzlich unerreichbar; Sie aber sitzen
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik