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gemerkt, desto mehr aber von Haß und Hohn und Hausverweisung. Sollten
Sie es darauf angelegt haben, Frieda von mir oder mich von Frieda
abzubringen, so war es ja recht geschickt gemacht; aber es wird Ihnen doch,
glaube ich, nicht gelingen, und wenn es Ihnen gelingen sollte, so werden Sie
es – erlauben Sie auch mir einmal eine dunkle Drohung – bitter bereuen. Was
die Wohnung betrifft, die Sie mir gewähren – Sie können damit nur dieses
abscheuliche Loch meinen -, so ist es durchaus nicht gewiß, daß Sie es aus
eigenem Willen tun, vielmehr scheint darüber eine Weisung der gräflichen
Behörde vorzuliegen. Ich werde nun dort melden, daß mir hier gekündigt
worden ist, und wenn man mir dann eine andere Wohnung zuweist, werden
Sie wohl befreit aufatmen, ich aber noch tiefer. Und nun gehe ich in dieser
und in anderen Angelegenheiten zum Gemeindevorstand; bitte, nehmen Sie
sich wenigstens Friedas an, die Sie mit Ihren sozusagen mütterlichen Reden
übel genug zugerichtet haben.«
Dann wandte er sich an die Gehilfen. »Kommt!« sagte er, nahm den
Klammschen Brief vom Haken und wollte gehen. Die Wirtin hatte ihm
schweigend zugesehen, erst als er die Hand schon auf der Türklinke hatte,
sagte sie: »Herr Landvermesser, noch etwas gebe ich Ihnen mit auf den Weg,
denn welche Reden Sie auch führen mögen und wie Sie mich auch beleidigen
wollen, mich alte Frau, so sind Sie doch Friedas künftiger Mann. Nur deshalb
sage ich es Ihnen, daß Sie hinsichtlich der hiesigen Verhältnisse entsetzlich
unwissend sind, der Kopf schwirrt einem, wenn man Ihnen zuhört, und wenn
man das, was Sie sagen und meinen, in Gedanken mit der wirklichen Lage
vergleicht. Zu verbessern ist diese Unwissenheit nicht mit einem Male und
vielleicht gar nicht; aber vieles kann besser werden, wenn Sie mir nur ein
wenig glauben und sich diese Unwissenheit immer vor Augen halten. Sie
werden dann zum Beispiel sofort gerechter gegen mich werden und zu ahnen
beginnen, was für einen Schrecken ich durchgemacht habe – und die Folgen
des Schreckens halten noch an -, als ich erkannt habe, daß meine liebste
Kleine gewissermaßen den Adler verlassen hat, um sich der Blindschleiche zu
verbinden, aber das wirkliche Verhältnis ist ja noch viel schlimmer, und ich
muß es immerfort zu vergessen suchen, sonst könnte ich kein ruhiges Wort
mit Ihnen sprechen. Ach, nun sind Sie wieder böse. Nein, gehen Sie noch
nicht, nur diese Bitte hören Sie noch an: Wohin Sie auch kommen, bleiben Sie
sich dessen bewußt, daß Sie hier der Unwissendste sind, und seien Sie
vorsichtig; hier bei uns, wo Friedas Gegenwart Sie vor Schaden schützt,
mögen Sie sich dann das Herz freischwätzen, hier können Sie uns dann zum
Beispiel zeigen, wie Sie mit Klamm zu sprechen beabsichtigen; nur in
Wirklichkeit, nur in Wirklichkeit, bitte, bitte, tun Sie’s nicht!«
Sie stand auf, ein wenig schwankend vor Aufregung, ging zu K., faßte
seine Hand und sah ihn bittend an. »Frau Wirtin«, sagte K., »ich verstehe
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik