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5Kapitel
Die Besprechung mit dem Vorsteher machte K. fast zu seiner eigenen
Verwunderung wenig Sorgen. Er suchte es sich dadurch zu erklären, daß nach
seinen bisherigen Erfahrungen der amtliche Verkehr mit den gräflichen
Behörden für ihn sehr einfach gewesen war. Das lag einerseits daran, daß
hinsichtlich der Behandlung seiner Angelegenheit offenbar ein für allemal ein
bestimmter, äußerlich ihm sehr günstiger Grundsatz ausgegeben worden war,
und andererseits lag es an der bewunderungswürdigen Einheitlichkeit des
Dienstes, die man besonders dort, wo sie scheinbar nicht vorhanden war, als
eine besonders vollkommene ahnte. K. war, wenn er manchmal nur an diese
Dinge dachte, nicht weit davon entfernt seine Lage zufriedenstellend zu
finden, obwohl er sich immer nach solchen Anfällen des Behagens schnell
sagte, daß gerade darin die Gefahr lag.
Der direkte Verkehr mit den Behörden war ja nicht allzu schwer, denn die
Behörden hatten, so gut sie auch organisiert sein mochten, immer nur im
Namen entlegener, unsichtbarer Herren entlegene, unsichtbare Dinge zu
verteidigen, während K. für etwas lebendigst Nahes kämpfte, für sich selbst;
überdies, zumindest in der allerersten Zeit, aus eigenem Willen, denn er war
der Angreifer; und nicht nur er kämpfte für sich, sondern offenbar noch
andere Kräfte, die er nicht kannte, aber an die er nach den Maßnahmen der
Behörden glauben konnte. Dadurch nun aber, daß die Behörden K. von
vornherein in unwesentlichen Dingen – um mehr hatte es sich bisher nicht
gehandelt – weit entgegenkamen, nahmen sie ihm die Möglichkeit kleiner,
leichter Siege und mit dieser Möglichkeit auch die zugehörige Genugtuung
und die aus ihr sich ergebende, gut begründete Sicherheit für weitere größere
Kämpfe. Statt dessen ließen sie K., allerdings nur innerhalb des Dorfes,
überall durchgleiten, wo er wollte, verwöhnten und schwächten ihn dadurch,
schalteten hier überhaupt jeden Kampf aus und verlegten ihn dafür in das
außeramtliche, völlig unübersichtliche, trübe, fremdartige Leben. Auf diese
Weise konnte es, wenn er nicht immer auf der Hut war, wohl geschehen, daß
er eines Tages trotz aller Liebenswürdigkeit der Behörden und trotz der
vollständigen Erfüllung aller so übertrieben leichten amtlichen
Verpflichtungen, getäuscht durch die ihm erwiesene scheinbare Gunst, sein
sonstiges Leben so unvorsichtig führte, daß er hier zusammenbrach und die
Behörde, noch immer sanft und freundlich gleichsam gegen ihren Willen,
aber im Namen irgendeiner ihm unbekannten öffentlichen Ordnung kommen
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik