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Hilfskraft, den Lehrer, aber es ist trotzdem unmöglich, fertig zu werden, es
bleibt immer viel Unerledigtes zurück, das ist dort in jenem Kasten
gesammelt«, und er zeigte auf einen anderen Schrank. »Und gar, wenn ich
jetzt krank bin, nimmt es überhand«, sagte er und legte sich müde, aber doch
auch stolz zurück. »Könnte ich nicht«, sagte K., als die Frau mit der Kerze
zurückgekommen war und vor dem Kasten kniend den Erlaß suchte, »Ihrer
Frau beim Suchen helfen?« Der Vorsteher schüttelte lächelnd den Kopf: »Wie
ich schon sagte, ich habe keine Amtsgeheimnisse vor Ihnen; aber Sie selbst in
den Akten suchen zu lassen, so weit kann ich denn doch nicht gehen.« Es
wurde jetzt still im Zimmer, nur das Rascheln der Papiere war zu hören, der
Vorsteher schlummerte vielleicht sogar ein wenig. Ein leises Klopfen an der
Tür ließ K. sich umdrehen. Es waren natürlich die Gehilfen. Immerhin waren
sie schon ein wenig erzogen, stürmten nicht gleich ins Zimmer, sondern
flüsterten zunächst durch die ein wenig geöffnete Tür: »Es ist uns zu kalt
draußen.« – »Wer ist es?« fragte der Vorsteher aufschreckend. »Es sind nur
meine Gehilfen« sagte K., »ich weiß nicht, wo ich sie auf mich warten lassen
soll, draußen ist es zu kalt, und hier sind sie lästig.« – »Mich stören sie nicht«,
sagte der Vorsteher freundlich. »Lassen Sie sie hereinkommen. Übrigens
kenne ich sie ja. Alte Bekannte.« – »Mir aber sind sie lästig«, sagte K. offen,
ließ den Blick von den Gehilfen zum Vorsteher und wieder zurück zu den
Gehilfen wandern und fand aller drei Lächeln ununterscheidbar gleich.
»Wenn ihr aber nun schon hier seid«, sagte er dann versuchsweise, »so bleibt
und helft dort der Frau Vorsteher einen Akt zu suchen, auf dem das Wort
›Landvermesser‹ blau unterstrichen ist.« Der Vorsteher erhob keinen
Widerspruch. Was K. nicht durfte, die Gehilfen durften es, sie warfen sich
auch gleich auf die Papiere, aber sie wühlten mehr in den Haufen, als daß sie
suchten, und während einer eine Schrift buchstabierte, riß sie ihm der andere
immer aus der Hand. Die Frau dagegen kniete vor dem leeren Kasten, sie
schien gar nicht mehr zu suchen, jedenfalls stand die Kerze sehr weit von ihr.
»Die Gehilfen«, sagte der Vorsteher mit einem selbstzufriedenen Lächeln, so
als gehe alles auf seine Anordnungen zurück, aber niemand sei imstande, das
auch nur zu vermuten, »sie sind Ihnen also lästig, aber es sind doch Ihre
eigenen Gehilfen.« – »Nein«, sagte K. kühl, »sie sind mir erst hier
zugelaufen.« – »Wie denn, zugelaufen«, sagte der Vorsteher, »zugeteilt
worden, meinen Sie wohl.« – »Nun denn, zugeteilt worden«, sagte K. »Sie
könnten aber ebensogut herabgeschneit sein, so bedenkenlos war diese
Zuteilung.« – »Bedenkenlos geschieht hier nichts«, sagte der Vorsteher,
vergaß sogar den Fußschmerz und setzte sich aufrecht. »Nichts«, sagte K.,
»und wie verhält es sich mit meiner Berufung?« – »Auch Ihre Berufung war
wohl erwogen«, sagte der Vorsteher, »nur Nebenumstände haben verwirrend
eingegriffen, ich werde es Ihnen an Hand der Akten nachweisen.« – »Die
Akten werden ja nicht gefunden werden«, sagte K. »Nicht gefunden?« rief der
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik