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ja völlig Fremde – aber gewissermaßen einen Geschäftsfreund haben. Nur daß
Sie als Landvermesser aufgenommen werden, lasse ich nicht zu; sonst aber
können Sie sich immer mit Vertrauen an mich wenden, freilich in den
Grenzen meiner Macht, die nicht groß ist.«
»Sie sprechen immer davon«, sagte K., »daß ich als Landvermesser
aufgenommen werden soll, aber ich bin doch schon aufgenommen. Hier ist
Klamms Brief.«
»Klamms Brief«, sagte der Vorsteher. »Er ist wertvoll und ehrwürdig durch
Klamms Unterschrift, die echt zu sein scheint, sonst aber – doch ich wage es
nicht, mich allein dazu zu äußern. – Mizzi!« rief er, und dann: »Aber was
macht ihr denn?«
Die so lange unbeachteten Gehilfen und Mizzi hatten offenbar den
gesuchten Akt nicht gefunden, hatten dann alles wieder in den Schrank
sperren wollen, aber es war ihnen wegen der ungeordneten Überfülle der
Akten nicht gelungen. Da waren wohl die Gehilfen auf den Gedanken
gekommen, den sie jetzt ausführten. Sie hatten den Schrank auf den Boden
gelegt, alle Akten hineingestopft, hatten sich dann mit Mizzi auf die
Schranktüre gesetzt und suchten jetzt so, sie langsam niederzudrücken.
»Der Akt ist also nicht gefunden«, sagte der Vorsteher. »Schade, aber die
Geschichte kennen Sie ja schon, eigentlich brauchen wir den Akt nicht mehr,
übrigens wird er gewiß noch gefunden werden, er ist wahrscheinlich beim
Lehrer, bei dem noch sehr viele Akten sind. Aber komm nun mit deiner Kerze
her, Mizzi, und lies mir diesen Brief«
Mizzi kam und sah nun noch grauer und unscheinbarer aus, als sie auf dem
Bettrand saß und sich an den starken, lebenerfüllten Mann drückte, der sie
umfaßt hielt. Nur ihr kleines Gesicht fiel jetzt im Kerzenlicht auf, mit klaren,
strengen, nur durch den Verfall des Alters gemilderten Linien. Kaum hatte sie
in den Brief geblickt, faltete sie leicht die Hände. »Von Klamm«, sagte sie.
Sie lasen dann gemeinsam den Brief, flüsterten ein wenig miteinander, und
schließlich, während die Gehilfen gerade »Hurra!« riefen, denn sie hatten
endlich die Schranktür zugedrückt, und Mizzi sah still dankbar zu ihnen hin,
sagte der Vorsteher:
»Mizzi ist völlig meiner Meinung, und nun kann ich es wohl auszusprechen
wagen. Dieser Brief ist überhaupt keine amtliche Zuschrift, sondern ein
Privatbrief. Das ist schon an der Überschrift: ›Sehr geehrter Herr!‹ deutlich
erkennbar. Außerdem ist darin mit keinem Worte gesagt, daß Sie als
Landvermesser aufgenommen sind, es ist vielmehr nur im allgemeinen von
herrschaftlichen Diensten die Rede, und auch das ist nicht bindend
ausgesprochen, sondern Sie sind nur aufgenommen ›wie Sie wissen‹, das
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik