Seite - 60 - in Das Schloss
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heißt, die Beweislast dafür, daß Sie aufgenommen sind, ist Ihnen auferlegt.
Endlich werden Sie in amtlicher Hinsicht ausschließlich an mich, den
Vorsteher, als Ihren nächsten Vorgesetzten verwiesen, der Ihnen alles Nähere
mitteilen soll, was ja zum größten Teil schon geschehen ist. Für einen, der
amtliche Zuschriften zu lesen versteht und infolgedessen nichtamtliche Briefe
noch besser liest, ist das alles überdeutlich. Daß Sie, ein Fremder, das nicht
erkennen, wundert mich nicht. Im ganzen bedeutet der Brief nichts anderes,
als daß Klamm persönlich sich um Sie zu kümmern beabsichtigt für den Fall,
daß Sie in herrschaftliche Dienste aufgenommen werden.«
»Sie deuten, Herr Vorsteher«, sagte K., »den Brief so gut, daß schließlich
nichts anderes übrigbleibt als die Unterschrift auf einem leeren Blatt Papier.
Merken Sie nicht, wie Sie damit Klamms Namen, den Sie zu achten
vorgeben, herabwürdigen?«
»Das ist ein Mißverständnis«, sagte der Vorsteher. »Ich verkenne die
Bedeutung des Briefes nicht, ich setze ihn durch meine Auslegung nicht
herab, im Gegenteil. Ein Privatbrief Klamms hat natürlich viel mehr
Bedeutung als eine amtliche Zuschrift; nur gerade die Bedeutung, die Sie ihm
beilegen, hat er nicht.«
»Kennen Sie Schwarzer?« fragte K.
»Nein«, sagte der Vorsteher, »du vielleicht, Mizzi? Auch nicht. Nein, wir
kennen ihn nicht.«
»Das ist merkwürdig«, sagte K., »er ist der Sohn eines Unterkastellans.«
»Lieber Herr Landvermesser«, sagte der Vorsteher, »wie soll ich denn alle
Söhne aller Unterkastellane kennen?«
»Gut«, sagte K., »dann müssen Sie mir also glauben, daß er es ist. Mit
diesem Schwarzer hatte ich noch am Tage meiner Ankunft einen ärgerlichen
Auftritt. Er erkundigte sich dann telefonisch bei dem Unterkastellan namens
Fritz und bekam die Auskunft, daß ich als Landvermesser aufgenommen sei.
Wie erklären Sie sich das, Herr Vorsteher?«
»Sehr einfach,« sagte der Vorsteher. »Sie sind eben noch niemals mit
unseren Behörden in Berührung gekommen. Alle diese Berührungen sind nur
scheinbar, Sie aber halten sie infolge Ihrer Unkenntnis der Verhältnisse für
wirklich. Und was das Telefon betrifft: Sehen Sie, bei mir, der ich wohl
wahrlich genug mit den Behörden zu tun habe, gibt es kein Telefon. In
Wirtsstuben und dergleichen, da mag es gute Dienste leisten, so etwa wie ein
Musikautomat, mehr ist es auch nicht. Haben Sie schon einmal hier
telefoniert, ja? Nun also, dann werden Sie mich vielleicht verstehen. Im
Schloß funktioniert das Telefon offenbar ausgezeichnet; wie man mir erzählt
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik