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Ihnen vielleicht gering, aber sehen Sie: Frieda, die so lange mit Klamm
verkehrt hat, besitzt gar kein Andenken, ich habe sie gefragt, sie ist zu
schwärmerisch und auch zu ungenügsam; ich dagegen, die nur dreimal bei
Klamm war – später ließ er mich nicht mehr rufen, ich weiß nicht, warum -,
habe doch wie in Vorahnung der Kürze meiner Zeit diese Andenken
mitgebracht. Freilich, man muß sich darum kümmern, Klamm selbst gibt
nichts, aber wenn man dort etwas Passendes liegen sieht, kann man es sich
ausbitten.«
K. fühlte sich unbehaglich gegenüber diesen Geschichten, sosehr sie ihn
auch betrafen.
»Wie lange ist denn das alles her?« fragte er seufzend.
»Über zwanzig Jahre«, sagte die Wirtin. »Weit über zwanzig Jahre.«
»So lange hält man Klamm die Treue«, sagte K. »Sind Sie sich aber, Frau
Wirtin, dessen auch bewußt, daß Sie mir mit solchen Geständnissen, wenn ich
an meine zukünftige Ehe denke, schwere Sorgen machen?«
Die Wirtin fand es ungebührlich, daß sich K. mit seinen Angelegenheiten
hier einmischen wollte, und sah ihn erzürnt von der Seite an.
»Nicht so böse, Frau Wirtin«, sagte K. »Ich sagte ja kein Wort gegen
Klamm, aber ich bin doch durch die Macht der Ereignisse in gewisse
Beziehungen zu Klamm getreten; das kann der größte Verehrer Klamms nicht
leugnen. Nun also. Infolgedessen muß ich bei Klamms Erwähnung immer
auch an mich denken, das ist nicht zu ändern. Übrigens, Frau Wirtin« – hier
faßte K. ihre zögernde Hand -, »denken Sie daran, wie schlecht unsere letzte
Unterhaltung ausgefallen ist und daß wir diesmal in Frieden
auseinandergehen wollen.«
»Sie haben recht«, sagte die Wirtin und beugte den Kopf, »aber schonen
Sie mich. Ich bin nicht empfindlicher als andere, im Gegenteil, jeder hat
empfindliche Stellen, ich habe nur diese eine.«
»Leider ist es gleichzeitig auch die meine«, sagte K., »ich aber werde mich
gewiß beherrschen; nun aber erklären Sie mir, Frau Wirtin, wie soll ich in der
Ehe diese entsetzliche Treue gegenüber Klamm ertragen, vorausgesetzt, daß
auch Frieda Ihnen darin ähnlich ist?«
»Entsetzliche Treue?« wiederholte die Wirtin grollend. »Ist es denn Treue?
Treu bin ich meinem Mann, aber Klamm? Klamm hat mich einmal zu seiner
Geliebten gemacht, kann ich diesen Rang jemals verlieren? Und wie Sie es
bei Frieda ertragen sollen? Ach, Herr Landvermesser, wer sind Sie denn, der
so zu fragen wagt?«
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik