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unternehmen?«
»Das kann ich nicht versprechen«, sagte K., »so gerne ich Ihre Bitte oder
Ihre Laune erfüllen wollte. Die Sache drängt nämlich, besonders nach dem
ungünstigen Ergebnis meiner Besprechung mit dem Vorsteher.«
»Dieser Einwand entfällt«, sagte die Wirtin, »der Vorsteher ist eine ganz
belanglose Person. Haben Sie denn das nicht bemerkt? Er könnte keinen Tag
in seiner Stellung bleiben, wenn nicht seine Frau wäre, die alles führt.«
»Mizzi?« fragte K. Die Wirtin nickte. »Sie war dabei«, sagte K.
»Hat sie sich geäußert?« fragte die Wirtin.
»Nein«, sagte K., »ich hatte aber auch nicht den Eindruck, daß sie das
könnte.«
»Nun ja«, sagte die Wirtin, »so irrig sehen Sie hier alles an. Jedenfalls: Was
der Vorsteher über Sie verfügt hat, hat keine Bedeutung, und mit der Frau
werde ich gelegentlich reden. Und wenn ich Ihnen nun noch verspreche, daß
die Antwort Klamms spätestens in einer Woche kommen wird, haben Sie
wohl keinen Grund mehr, mir nicht nachzugeben.«
»Das alles ist nicht entscheidend«, sagte K. »Mein Entschluß steht fest und
ich würde ihn auch auszuführen versuchen, wenn eine ablehnende Antwort
käme. Wenn ich aber diese Absicht von vornherein habe, kann ich doch nicht
vorher um die Unterredung bitten lassen. Was ohne die Bitte vielleicht ein
kühner, aber doch gutgläubiger Versuch bleibt, wäre nach einer ablehnenden
Antwort offene Widersetzlichkeit. Das wäre freilich viel schlimmer.«
»Schlimmer?« sagte die Wirtin. »Widersetzlichkeit ist es auf jeden Fall.
Und nun tun Sie nach Ihrem Willen. Reichen Sie mir den Rock.«
Ohne Rücksicht auf K. zog sie sich den Rock an und eilte in die Küche.
Schon seit längerer Zeit hörte man Unruhe von der Wirtsstube her. An das
Guckfenster war geklopft worden. Die Gehilfen hatten es einmal aufgestoßen
und hereingerufen, daß sie Hunger hätten. Auch andere Gesichter waren dann
dort erschienen. Sogar einen leisen, aber mehrstimmigen Gesang hörte man.
Freilich, K.s Gespräch mit der Wirtin hatte das Kochen des Mittagessens
sehr verzögert, es war noch nicht fertig, aber die Gäste waren versammelt.
Immerhin hatte niemand gewagt, gegen das Verbot der Wirtin die Küche zu
betreten. Nun aber, da die Beobachter am Guckfenster meldeten, die Wirtin
komme schon, liefen die Mägde gleich in die Küche, und als K. die
Wirtsstube betrat, strömte die erstaunlich zahlreiche Gesellschaft, mehr als
zwanzig Leute, Männer und Frauen, provinzmäßig, aber nicht bäuerisch
angezogen, vom Guckfenster, wo sie versammelt gewesen waren, zu den
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik