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kann er freilich nicht beschleunigen. Wohl aber will er in seinem
Wirkungskreis eine vorläufige, wahrhaftig generöse Entscheidung treffen, es
liegt nur an Ihnen, sie anzunehmen: Er bietet Ihnen vorläufig die Stelle eines
Schuldieners an.« Darauf, was ihm angeboten wurde, achtete K. zunächst
kaum, aber die Tatsache, daß ihm etwas angeboten wurde, schien ihm nicht
bedeutungslos. Es deutete daraufhin daß er nach Ansicht des Vorstehers
imstande war, um sich zu wehren, Dinge auszuführen, vor denen sich zu
schützen für die Gemeinde selbst gewisse Aufwendungen rechtfertigte. Und
wie wichtig man die Sache nahm! Der Lehrer, der hier schon eine Zeitlang
gewartet und vorher noch das Protokoll aufgesetzt hatte, mußte ja vom
Vorsteher geradezu hergejagt worden sein. Als der Lehrer sah, daß er nun
doch K. nachdenklich gemacht hatte, fuhr er fort: »Ich machte meine
Einwendungen. Ich wies darauf hin, daß bisher kein Schuldiener nötig
gewesen sei; die Frau des Kirchendieners räumt von Zeit zu Zeit auf, und
Fräulein Gisa, die Lehrerin, beaufsichtigt es. Ich habe Plage genug mit den
Kindern, ich will mich nicht auch noch mit einem Schuldiener ärgern. Der
Herr Vorsteher entgegnete, daß es aber doch sehr schmutzig in der Schule sei.
Ich erwiderte, der Wahrheit gemäß, daß es nicht sehr arg sei. Und, fügte ich
hinzu, wird es dann besser werden, wenn wir den Mann als Schuldiener
nehmen? Ganz gewiß nicht. Abgesehen davon, daß er von solchen Arbeiten
nichts versteht, hat doch das Schulhaus nur zwei große Lehrzimmer ohne
Nebenräume, der Schuldiener muß also mit seiner Familie in einem der
Lehrzimmer wohnen, schlafen, vielleicht gar kochen, das kann natürlich die
Reinlichkeit nicht vergrößern. Aber der Herr Vorsteher verwies darauf, daß
diese Stelle für Sie eine Rettung in der Not sei und daß Sie daher sich mit
allen Kräften bemühen werden, sie gut auszufüllen; ferner meinte der Herr
Vorsteher, gewinnen wir mit Ihnen auch noch die Kräfte Ihrer Frau und Ihrer
Gehilfen, so daß nicht nur die Schule, sondern auch der Schulgarten in
musterhafter Ordnung wird gehalten werden können. Das alles widerlegte ich
mit Leichtigkeit. Schließlich konnte der Herr Vorsteher gar nichts mehr zu
Ihren Gunsten vorbringen, lachte und sagte nur, Sie seien doch
Landvermesser und würden daher die Beete im Schulgarten besonders schön
gerade ziehen können. Nun, gegen Späße gibt es keine Einwände, und so ging
ich mit dem Auftrag zu Ihnen.« »Sie machen sich unnütze Sorgen, Herr
Lehrer«, sagte K. »Es fällt mir nicht ein, die Stelle anzunehmen.« –
»Vorzüglich«, sagte der Lehrer, »vorzüglich, ganz ohne Vorbehalt lehnen Sie
ab«, und er nahm den Hut, verbeugte sich und ging.
Gleich darauf kam Frieda mit verstörtem Gesicht herauf, das Hemd brachte
sie ungebügelt, Fragen beantwortete sie nicht; um sie zu zerstreuen, erzählte
ihr K. von dem Lehrer und dem Angebot; kaum hörte sie es, warf sie das
Hemd auf das Bett und lief wieder fort. Sie kam bald zurück, aber mit dem
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik