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Lehrer, der verdrießlich aussah und gar nicht grüßte. Frieda bat ihn um ein
wenig Geduld – offenbar hatte sie das auf dem Weg hierher schon einige
Male getan -, zog dann K. durch eine Seitentür, von der er gar nicht gewußt
hatte, auf den benachbarten Dachboden und erzählte dort schließlich
aufgeregt außer Atem, was ihr geschehen war. Die Wirtin, empört darüber,
daß sie sich vor K. zu Geständnissen und, was noch ärger war, zur
Nachgiebigkeit hinsichtlich einer Unterredung Klamms mit K. erniedrigt und
nichts damit erreicht hatte als, wie sie sagte, kalte und überdies unaufrichtige
Abweisung, sei entschlossen, K. nicht mehr in ihrem Hause zu dulden; habe
er Verbindungen mit dem Schloß, so möge er sie nur schnell ausnutzen, denn
noch heute, noch jetzt müsse er das Haus verlassen, und nur auf direkten
behördlichen Befehl und Zwang werde sie ihn wieder aufnehmen; doch hoffe
sie, daß es nicht dazu kommen werde, denn auch sie habe Verbindungen mit
dem Schloß und werde sie geltend zu machen verstehen. Übrigens sei er ja in
das Wirtshaus nur infolge der Nachlässigkeit des Wirtes gekommen und sei
auch sonst gar nicht in Not, denn noch heute morgen habe er sich eines für
ihn bereitstehenden Nachtlagers gerühmt. Frieda natürlich solle bleiben; wenn
Frieda mit K. ausziehen sollte, werde sie, die Wirtin, tief unglücklich sein,
schon unten in der Küche sei sie bei dem bloßen Gedanken weinend neben
dem Herd zusammengesunken, die arme, herzleidende Frau! Aber wie könnte
sie anders handeln, jetzt, da es sich, in ihrer Vorstellung wenigstens geradezu
um die Ehre von Klamms Andenken handle! So stehe es also mit der Wirtin.
Frieda freilich werde ihm, K., folgen, wohin er wolle, in Schnee und Eis,
darüber sei natürlich kein weiteres Wort zu verlieren, aber sehr schlimm sei
doch ihrer beider Lage jedenfalls, darum habe sie das Angebot des Vorstehers
mit großer Freude begrüßt, sei es auch eine für K. nicht passende Stelle, so sei
sie doch, das werde ausdrücklich betont, eine nur vorläufige, man gewinne
Zeit und werde leicht andere Möglichkeiten finden, selbst wenn die
endgültige Entscheidung ungünstig ausfallen sollte. »Im Notfall «, rief
schließlich Frieda, schon an K.s Hals, »wandern wir aus, was hält uns hier im
Dorf? Vorläufig aber, nicht wahr, Liebster, nehmen wir das Angebot an. Ich
habe den Lehrer zurückgebracht, du sagst ihm »Angenommen« nichts weiter,
und wir übersiedeln in die Schule.”
»Das ist schlimm«, sagte K., ohne es aber ganz ernsthaft zu meinen, denn
die Wohnung kümmerte ihn wenig, auch fror er sehr in seiner Unterwäsche
hier auf dem Dachboden, der, auf zwei Seiten ohne Wand und Fenster, scharf
von kalter Luft durchzogen wurde, »jetzt hast du das Zimmer so schön
hergerichtet, und nun sollen wir ausziehen! Ungern, ungern würde ich die
Stelle annehmen, schon die augenblickliche Demütigung vor diesem kleinen
Lehrer ist mir peinlich, und nun soll er gar mein Vorgesetzter werden. Wenn
man nur noch ein Weilchen hierbleiben könnte, vielleicht ändert sich meine
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik