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keines anderen Wünschen an Klamm herankam und an ihn herankam, nicht
um bei ihm zu ruhen, sondern um an ihm vorbeizukommen, weiter ins
Schloß.
Und er sah auf seine Uhr und sagte: »Nun muß ich aber nach Hause gehen.«
Sofort veränderte sich das Verhältnis zu Momus’ Gunsten. »Ja, freilich«, sagte
dieser, »die Schuldienerpflichten rufen. Aber einen Augenblick müssen Sie
mir noch widmen. Nur ein paar kurze Fragen.« – »Ich habe keine Lust dazu«,
sagte K. und wollte zur Tür gehen. Momus schlug einen Akt gegen den Tisch
und stand auf: »Im Namen Klamms fordere ich Sie auf, meine Fragen zu
beantworten.« – »In Klamms Namen?« wiederholte K. »Kümmern ihn denn
meine Dinge?« – »Darüber«, sagte Momus, »habe ich kein Urteil und Sie
doch wohl noch viel weniger, das wollen wir also beide getrost ihm
überlassen. Wohl aber fordere ich Sie, in meiner mir von Klamm verliehenen
Stellung, auf, zu bleiben und zu antworten.« – »Herr Landvermesser«,
mischte sich die Wirtin ein, »ich hüte mich, Ihnen noch weiter zu raten; ich
bin ja mit meinen bisherigen Ratschlägen, den wohlmeinendsten, die es geben
kann, in unerhörter Weise von Ihnen abgewiesen worden, und hierher zum
Herrn Sekretär – ich habe nichts zu verbergen – bin ich nur gekommen, um
das Amt von Ihrem Benehmen und Ihren Absichten gebührend zu
verständigen und mich für alle Zeiten davor zu bewahren, daß Sie etwa neu
bei mir einquartiert würden, so stehen wir zueinander, und daran wird wohl
nichts mehr geändert werden, und wenn ich daher jetzt meine Meinung sage,
so tue ich es nicht etwa, um Ihnen zu helfen, sondern um dem Herrn Sekretär
die schwere Aufgabe, die es bedeutet, mit einem Mann wie Ihnen zu
verhandeln, ein wenig zu erleichtern. Trotzdem aber können Sie eben wegen
meiner vollständigen Offenheit – anders als offen kann ich mit Ihnen nicht
verkehren, und selbst so geschieht es widerwillig – aus meinen Worten auch
für sich Nutzen ziehen, wenn Sie nur wollen. Für diesen Fall mache ich Sie
nun also darauf aufmerksam, daß der einzige Weg, der für Sie zu Klamm
führt, hier durch die Protokolle des Herrn Sekretärs geht. Aber ich will nicht
übertreiben, vielleicht führt der Weg nicht bis zu Klamm, vielleicht hört er
weit vor ihm auf, darüber entscheidet das Gutdünken des Herrn Sekretärs.
Jedenfalls aber ist es der einzige Weg, der für Sie wenigstens in der Richtung
zu Klamm führt. Und auf diesen einzigen Weg wollen Sie verzichten, aus
keinem anderen Grund als aus Trotz?« – »Ach, Frau Wirtin«, sagte K., »es ist
weder der einzige Weg zu Klamm, noch ist er mehr wert als die anderen. Und
Sie, Herr Sekretär, entscheiden darüber, ob das, was ich hier sagen würde, bis
zu Klamm dringen darf oder nicht?« »Allerdings«, sagte Momus und blickte
mit stolz gesenkten Augen rechts und links, wo nichts zu sehen war, »wozu
wäre ich sonst Sekretär.« – »Nun sehen Sie, Frau Wirtin«, sagte K., »nicht zu
Klamm brauche ich einen Weg, sondern erst zum Herrn Sekretär.« – »Diesen
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Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik