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Auskunft bekommen zu haben. Ich sagte ihm seit jeher, heute und nimmer,
daß er nicht die geringste Aussicht hat, von Klamm empfangen zu werden;
nun, wenn es also keine Aussicht gibt, wird er sie auch durch dieses Protokoll
nicht bekommen. Kann etwas deutlicher sein? Weiter sage ich, daß dieses
Protokoll die einzige wirkliche amtliche Verbindung ist, die er mit Klamm
haben kann; auch das ist doch deutlich genug und unanzweifelbar. Wenn er
mir nun aber nicht glaubt, immerfort – ich weiß nicht, warum und wozu –
hofft, zu Klamm vordringen zu können, dann kann ihm, wenn man in seinem
Gedankengange bleibt, nur die einzige wirkliche amtliche Verbindung helfen,
die er mit Klamm hat, also dieses Protokoll. Nur dieses habe ich gesagt, und
wer etwas anderes behauptet, verdreht böswillig die Worte.« – »Wenn es so
ist, Frau Wirtin«, sagte K., »dann bitte ich Sie um Entschuldigung, dann habe
ich Sie mißverstanden; ich glaubte nämlich – irrigerweise, wie sich jetzt
herausgestellt – aus Ihren früheren Worten herauszuhören, daß doch
irgendeine allerkleinste Hoffnung für mich besteht.« – »Gewiß«, sagte die
Wirtin, »das ist allerdings meine Meinung, Sie verdrehen meine Worte
wieder, nur diesmal nach der entgegengesetzten Richtung. Eine derartige
Hoffnung für Sie besteht meiner Meinung nach und gründet sich allerdings
nur auf dieses Protokoll. Es verhält sich aber damit nicht so, daß Sie einfach
den Herrn Sekretär mit der Frage anfallen können: ›Werde ich zu Klamm
dürfen, wenn ich die Fragen beantworte?‹ Wenn ein Kind so fragt, lacht man
darüber, wenn es ein Erwachsener tut, ist es eine Beleidigung des Amtes, der
Herr Sekretär hat es nur durch die Feinheit seiner Antwort gnädig verdeckt.
Die Hoffnung aber, die ich meine, besteht eben darin, daß Sie durch das
Protokoll eine Art Verbindung, vielleicht eine Art Verbindung mit Klamm
haben. Ist das nicht Hoffnung genug? Wenn man Sie nach Ihren Verdiensten
fragt, die Sie des Geschenkes einer solchen Hoffnung würdig machen,
könnten Sie das Geringste vorbringen? Freilich, Genaueres läßt sich über
diese Hoffnung nicht sagen, und insbesondere der Herr Sekretär wird in
seiner amtlichen Eigenschaft niemals auch nur die geringste Andeutung
darüber machen können. Für ihn handelt es sich, wie er sagt, nur um eine
Beschreibung des heutigen Nachmittags, der Ordnung halber; mehr wird er
nicht sagen, auch wenn Sie ihn gleich jetzt mit Bezug auf meine Worte
danach fragen.« – »Wird denn, Herr Sekretär«, fragte K., »Klamm dieses
Protokoll lesen?« – »Nein«, sagte Momus, »warum denn? Klamm kann doch
nicht alle Protokolle lesen, er liest sogar überhaupt keines. ›Bleibt mir vom
Leibe mit eueren Protokollen!‹ pflegt er zu sagen.« – »Herr Landvermesser«,
klagte die Wirtin, »Sie erschöpfen mich mit solchen Fragen. Ist es denn nötig
oder auch nur wünschenswert, daß Klamm dieses Protokoll liest und von den
Nichtigkeiten Ihres Lebens wortwörtlich Kenntnis bekommt; wollen Sie nicht
lieber demütigst bitten, daß man das Protokoll vor Klamm verbirgt, eine Bitte
übrigens, die ebenso unvernünftig wäre wie die frühere – denn wer kann vor
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik