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wertvoll. Und vielleicht bekomme ich noch Gelegenheit, dir entsprechend zu
danken, oder vielleicht hast du schon jetzt einen Wunsch, den ich dir erfüllen
kann.« – »Gewiß werde ich den Auftrag ausführen«, sagte Barnabas. »Und
willst du dich anstrengen, ihn möglichst gut auszuführen, Klamm selbst ihn
überreichen, von Klamm selbst die Antwort bekommen und gleich, alles
gleich, morgen, noch am Vormittag, willst du das?«
»Ich werde mein Bestes tun«, sagte Barnabas, »aber das tue ich immer.« –
»Wir wollen jetzt nicht mehr darüber streiten«, sagte K. »Das ist der Auftrag:
Der Landvermesser K. bittet den Herrn Vorstand, ihm zu erlauben, persönlich
bei ihm vorzusprechen; er nimmt von vornherein jede Bedingung an, welche
an eine solche Erlaubnis geknüpft werden könnte. Zu seiner Bitte ist er
deshalb gezwungen, weil bisher alle Mittelspersonen vollständig versagt
haben, zum Beweis führt er an, daß er nicht die geringste Vermesserarbeit
bisher ausgeführt hat und nach den Mitteilungen des Gemeindevorstehers
auch niemals ausführen wird, mit verzweifelter Beschämung hat er deshalb
den letzten Brief des Herrn Vorstandes gelesen, nur die persönliche
Vorsprache beim Herrn Vorstand kann hier helfen. Der Landvermesser weiß,
wieviel er damit erbittet, aber er wird sich anstrengen, die Störung dem Herrn
Vorstand möglichst wenig fühlbar zu machen, jeder zeitlichen Beschränkung
unterwirft er sich, auch einer etwa als notwendig erachteten Festsetzung der
Zahl der Worte, die er bei der Unterredung gebrauchen darf, fügt er sich,
schon mit zehn Worten glaubt er auskommen zu können. In tiefer Ehrfurcht
und äußerster Ungeduld erwartet er die Entscheidung.« K. hatte in
Selbstvergessenheit gesprochen, so, als stehe er vor Klamms Tür und spreche
mit dem Türhüter. »Es ist viel länger geworden, als ich dachte«, sagte er dann,
»aber du mußt es doch mündlich ausrichten, einen Brief will ich nicht
schreiben, er würde ja doch wieder nur den endlosen Aktenweg gehen.« So
kritzelte es K. nur für Barnabas auf einem Stück Papier auf eines Gehilfen
Rücken, während der andere leuchtete, aber K. konnte es schon nach dem
Diktat des Barnabas aufschreiben, der alles behalten hatte und es schülerhaft
genau aufsagte, ohne sich um das falsche Einsagen der Gehilfen zu kümmern.
»Dein Gedächtnis ist außerordentlich«, sagte K. und gab ihm das Papier, »nun
aber, bitte, zeige dich außerordentlich auch im anderen. Und die Wünsche?
Hast du keine? Es würde mich, ich sage es offen, hinsichtlich des Schicksals
meiner Botschaft ein wenig beruhigen, wenn du welche hättest?« Zuerst blieb
Barnabas still, dann sagte er: »Meine Schwestern lassen dich grüßen.« –
»Deine Schwestern«, sagte K., »ja, die großen, starken Mädchen.« – »Beide
lassen dich grüßen, aber besonders Amalia« sagte Barnabas, »sie hat mir auch
heute diesen Brief für dich aus dem Schloß gebracht.« An dieser Mitteilung
vor allen anderen sich festhaltend, fragte K.: »Könnte sie nicht auch meine
Botschaft ins Schloß bringen? Oder könntet ihr nicht beide gehen und jeder
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik