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Das Schloss
Seite - 128 -
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in dem Bericht deine und der Wirtin Meinung nicht immer voneinander unterscheiden können.« – »Es war nur die Meinung der Wirtin«, sagte Frieda. »Ich habe allem zugehört, weil ich die Wirtin verehre; aber es war das erstemal in meinem Leben, daß ich ihre Meinung ganz und gar verwarf. So kläglich schien mir alles, was sie sagte, so fern jedem Verständnis dessen, wie es mit uns zweien stand. Eher schien mir das vollkommene Gegenteil dessen, was sie sagte, richtig. Ich dachte an den trüben Morgen nach unserer ersten Nacht, wie du neben mir knietest mit einem Blick, als sei alles verloren. Und wie es sich dann auch wirklich so gestaltete, daß ich, so sehr ich mich anstrengte, dir nicht half, sondern dich hinderte. Durch mich wurde die Wirtin deine Feindin, eine mächtige Feindin, die du noch immer unterschätzt; meinetwegen, für die du solche Sorgen hattest, mußtest du um deine Stelle kämpfen, warst im Nachteil gegenüber dem Gemeindevorsteher, mußtest dich dem Lehrer unterwerfen, warst den Gehilfen ausgeliefert, das Schlimmste aber: um meinetwillen hattest du dich vielleicht gegen Klamm vergangen. Daß du jetzt immerfort zu Klamm gelangen wolltest, war ja nur das ohnmächtige Streben, ihn irgendwie zu versöhnen. Und ich sagte mir, daß die Wirtin, die dies alles gewiß viel besser wisse als ich, mich mit ihren Einflüsterungen nur vor allzuschlimmen Selbstvorwürfen bewahren wollte. Gutgemeinte, aber überflüssige Mühe. Meine Liebe zu dir hätte mir über alles hinweggeholfen, sie hätte schließlich auch dich vorwärtsgetragen, wenn nicht hier im Dorf, so anderswo; einen Beweis ihrer Kraft hatte sie ja schon gegeben, vor der Barnabasschen Familie hat sie dich gerettet.« – »Das war damals also deine Gegenmeinung«, sagte K., »und was hat sich seitdem geändert?« – »Ich weiß nicht«, sagte Frieda und blickte auf K.s Hand, welche die ihre hielt, »vielleicht hat sich nichts geändert; wenn du so nahe bei mir bist und so ruhig fragst, dann glaube ich, daß sich nichts geändert hat. In Wirklichkeit aber« – sie nahm K. ihre Hand fort, saß ihm aufrecht gegenüber und weinte, ohne ihr Gesicht zu bedecken; frei hielt sie ihm dieses tränenüberflossene Gesicht entgegen, so, als weine sie nicht über sich selbst und habe also nichts zu verbergen, sondern als weine sie über K.s Verrat und so gebühre ihm auch der Jammer ihres Anblicks -, »in Wirklichkeit aber hat sich alles geändert, seit ich dich mit dem Jungen habe sprechen hören. Wie unschuldig hast du begonnen, fragtest nach den häuslichen Verhältnissen, nach dem und jenem; mir war, als kämst du gerade in den Ausschank, zutunlich, offenherzig, und suchtest so kindlich-eifrig meinen Blick. Es war kein Unterschied gegen damals, und ich wünschte nur, die Wirtin wäre hier, hörte dir zu und versuchte dann noch, an ihrer Meinung festzuhalten. Dann aber, plötzlich, ich weiß nicht, wie es geschah, merkte ich, in welcher Absicht du mit dem Jungen sprachst. Durch die teilnehmenden Worte gewannst du sein nicht leicht zu gewinnendes Vertrauen, um dann ungestört auf dein Ziel loszugehen, das ich mehr und mehr erkannte. Dieses Ziel war die Frau. Aus 128
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Das Schloss
Titel
Das Schloss
Autor
Franz Kafka
Datum
1926
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
246
Schlagwörter
Roman, Literatur, Schriftsteller
Kategorien
Weiteres Belletristik
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