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habe gewiß kein Mißtrauen gegen dich gehabt, und ist etwas Derartiges von
der Wirtin auf mich übergegangen, werde ich es glückselig abwerfen und dich
auf den Knien um Verzeihung bitten, wie ich es eigentlich die ganze Zeit über
tue, wenn ich auch noch so böse Dinge sage. Wahr aber bleibt, daß du viel vor
mir geheimhältst; du kommst und gehst, ich weiß nicht woher und wohin.
Damals, als Hans klopfte, hast du sogar den Namen ›Barnabas‹ gerufen.
Hättest du doch nur einmal so liebend mich gerufen wie damals aus mir
unverständlichem Grund diesen verhaßten Namen. Wenn du kein Vertrauen
zu mir hast, wie soll dann bei mir nicht Mißtrauen entstehen; bin ich dann
doch völlig der Wirtin überlassen, die du durch dein Verhalten zu bestätigen
scheinst. Nicht in allem, ich will nicht behaupten, daß du sie in allem
bestätigst; hast du denn nicht doch immerhin meinetwegen die Gehilfen
verjagt? Ach, wüßtest du doch, mit welchem Verlangen ich in allem, was du
tust und sprichst, auch wenn es mich quält, einen für mich guten Kern suche.«
– »Vor allem, Frieda«, sagte K., »ich verberge dir doch nicht das geringste.
Wie mich die Wirtin haßt und wie sie sich anstrengt, dich mir zu entreißen,
und mit was für verächtlichen Mitteln sie das tut und wie du ihr nachgibst,
Frieda, wie du ihr nachgibst! Sag doch, worin verberge ich dir etwas? Daß ich
zu Klamm gelangen will, weißt du, daß du mir dazu nicht verhelfen kannst
und daß ich es daher auf eigene Faust erreichen muß, weißt du auch, daß es
mir bisher noch nicht gelungen ist, siehst du. Soll ich nun durch Erzählen der
nutzlosen Versuche, die mich schon in der Wirklichkeit reichlich demütigen,
doppelt mich demütigen? Soll ich mich etwa dessen rühmen, am Schlag des
Klammschen Schlittens frierend, einen langen Nachmittag vergeblich
gewartet zu haben? Glücklich, nicht mehr an solche Dinge denken zu müssen,
eile ich zu dir, und nun kommt mir wieder alles dieses drohend aus dir
entgegen. Und Barnabas? Gewiß, ich erwarte ihn. Er ist der Bote Klamms;
nicht ich habe ihn dazu gemacht.« – »Wieder Barnabas!« rief Frieda. »Ich
kann nicht glauben, daß er ein guter Bote ist.« – »Du hast vielleicht recht«,
sagte K., »aber er ist der einzige Bote, der mir geschickt wird.« »Desto
schlimmer«, sagte Frieda, »desto mehr solltest du dich vor ihm hüten.« – »Er
hat mir leider bisher keinen Anlaß hierzu gegeben«, sagte K. lächelnd. »Er
kommt selten, und was er bringt, ist belanglos; nur daß es geradewegs von
Klamm herrührt, macht es wertvoll.« – »Aber sieh nur«, sagte Frieda, »es ist
ja nicht einmal mehr Klamm dein Ziel, vielleicht beunruhigt mich das am
meisten. Daß du dich immer über mich hinweg zu Klamm drängtest, war
schlimm, daß du jetzt von Klamm abzukommen scheinst, ist viel schlimmer,
es ist etwas, was nicht einmal die Wirtin vorhersah. Nach der Wirtin endete
mein Glück, fragwürdiges und doch sehr wirkliches Glück, mit dem Tage, an
dem du endgültig einsahst, daß deine Hoffnung auf Klamm vergeblich war.
Nun aber wartest du nicht einmal mehr auf diesen Tag; plötzlich kommt ein
kleiner Junge herein, und du beginnst mit ihm um seine Mutter zu kämpfen,
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik