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erreicht, nie zu erreichen gewagt hätte und was auch ihrerseits die Behörde
kaum je zugegeben hätte, daß er nämlich von allem Anfang an, ohne
Winkelzüge, offen, Aug in Aug, der Behörde entgegentrat, soweit dies bei ihr
überhaupt möglich war. Aber das war ein schlimmes Geschenk, es ersparte
zwar K. viel Lüge und Heimlichtuerei, aber es machte ihn auch fast wehrlos,
benachteiligte ihn jedenfalls im Kampf und hätte ihn im Hinblick darauf
verzweifelt machen können, wenn er sich nicht hätte sagen müssen, daß der
Machtunterschied zwischen der Behörde und ihm so ungeheuerlich war, daß
alle Lüge und List, deren er fähig gewesen wäre, den Unterschied nicht
wesentlich zu seinen Gunsten hätte herabdrücken können. Doch war dies nur
ein Gedanke, mit dem K. sich selbst tröstete, Schwarzer blieb trotzdem in
seiner Schuld, hatte er K. damals geschadet, vielleicht konnte er nächstens
helfen, K. würde auch weiterhin Hilfe im Allergeringsten, in den allerersten
Vorbedingungen nötig haben, so schien ja zum Beispiel auch Barnabas wieder
zu versagen.
Friedas wegen hatte K. den ganzen Tag gezögert, in des Barnabas
Wohnung nachfragen zu gehen; um ihn nicht vor Frieda empfangen zu
müssen, hatte er jetzt draußen gearbeitet und war nach der Arbeit noch hier
geblieben in Erwartung des Barnabas, aber Barnabas kam nicht. Nun blieb
nichts anderes übrig, als zu den Schwestern zu gehen, nur für ein kleines
Weilchen, nur von der Schwelle aus wollte er fragen, bald würde er wieder
zurück sein. Und er rammte die Schaufel in den Schnee ein und lief. Atemlos
kam er beim Haus des Barnabas an, riß nach kurzem Klopfen die Tür auf und
fragte, ohne darauf zu achten, wie es in der Stube aussah: »Ist Barnabas noch
immer nicht gekommen?« Erst jetzt bemerkte er, daß Olga nicht da war, die
beiden Alten wieder bei dem weit entfernten Tisch in einem Dämmerzustande
saßen, sich noch nicht klargemacht hatten, was bei der Tür geschehen war,
und erst langsam die Gesichter hinwendeten und daß schließlich Amalia unter
Decken auf der Ofenbank lag und im ersten Schrecken über K.s Erscheinen
aufgefahren war und die Hand an die Stirn hielt, um sich zu fassen. Wäre
Olga hier gewesen, hätte sie gleich geantwortet, und K. hätte wieder
fortgehen können, so mußte er wenigstens die paar Schritte zu Amalia
machen, ihr die Hand reichen, die sie schweigend drückte, und sie bitten, die
aufgescheuchten Eltern vor irgendwelchen Wanderungen abzuhalten, was sie
auch mit ein paar Worten tat. K. erfuhr, daß Olga im Hof Holz hackte, Amalia
erschöpft – sie nannte keinen Grund – vor kurzem sich hatte niederlegen
müssen und Barnabas zwar noch nicht gekommen war, aber sehr bald
kommen mußte, denn über Nacht blieb er nie im Schloß. K. dankte für die
Auskunft, er konnte nun wieder gehen, Amalia aber fragte, ob er nicht noch
auf Olga warten wollte; aber er hatte leider keine Zeit mehr. Dann fragte
Amalia, ob er denn schon heute mit Olga gesprochen habe; er verneinte es
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik