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also«, sagte K., »dann hätte er doch einen Ersatz für den Botendienst.« »Für
den Botendienst?« fragte Olga erstaunt. »Hat er ihn denn des Verdienstes
halber übernommen?« – »Mag sein«, sagte K., »aber du erwähntest doch, daß
er ihn nicht befriedigt.« – »Er befriedigt ihn nicht, und aus verschiedenen
Gründen«, sagte Olga, »aber es ist doch Schloßdienst, immerhin eine Art
Schloßdienst, so sollte man wenigstens glauben.« – »Wie«, sagte K., »sogar
darin seid ihr im Zweifel?« – »Nun«, sagte Olga, »eigentlich nicht; Barnabas
geht in die Kanzleien, verkehrt mit den Dienern wie ihresgleichen, sieht von
der Ferne auch einzelne Beamte, bekommt verhältnismäßig wichtige Briefe,
ja sogar mündlich auszurichtende Botschaften anvertraut, das ist doch recht
viel, und wir können stolz darauf sein, wieviel er in so jungen Jahren schon
erreicht hat.« K. nickte, an die Heimkehr dachte er jetzt nicht. »Er hat auch
eine eigene Livree?« fragte er. »Du meinst die Jacke?« sagte Olga. »Nein, die
hat ihm Amalia gemacht, noch ehe er Bote war. Aber du näherst dich dem
wunden Punkt. Er hätte schon längst nicht eine Livree, die es im Schloß nicht
gibt, aber einen Anzug vom Amt bekommen sollen, es ist ihm auch
zugesichert worden, aber in dieser Hinsicht ist man im Schloß sehr langsam,
und das Schlimme ist, daß man niemals weiß, was diese Langsamkeit
bedeutet; sie kann bedeuten, daß die Sache im Amtsgang ist, sie kann aber
auch bedeuten, daß der Amtsgang noch gar nicht begonnen hat, daß man also
zum Beispiel Barnabas immer noch erst erproben will, sie kann aber
schließlich auch bedeuten, daß der Amtsgang schon beendet ist, man aus
irgendwelchen Gründen die Zusicherung zurückgezogen hat und Barnabas
den Anzug niemals bekommt. Genaueres kann man darüber nicht erfahren
oder erst nach langer Zeit. Es ist hier die Redensart, vielleicht kennst du sie:
Amtliche Entscheidungen sind scheu wie junge Mädchen.« – »Das ist eine
gute Beobachtung«, sagte K., er nahm es noch ernster als Olga, »eine gute
Beobachtung, die Entscheidungen mögen noch andere Eigenschaften mit
Mädchen gemeinsam haben.« – »Vielleicht«, sagte Olga. »Ich weiß freilich
nicht, wie du es meinst. Vielleicht meinst du es gar lobend. Aber was das
Amtskleid betrifft, so ist dies eben eine der Sorgen des Barnabas, und da wir
die Sorgen gemeinsam haben, auch meine. Warum bekommt er kein
Amtskleid, fragen wir uns vergebens. Nun ist aber diese ganze Sache nicht so
einfach. Die Beamten zum Beispiel scheinen überhaupt kein Amtskleid zu
haben; soviel wir hier wissen und soviel Barnabas erzählt, gehen die Beamten
in gewöhnlichen, allerdings schönen Kleidern herum. Übrigens hast du ja
Klamm gesehen. Nun, ein Beamter, auch ein Beamter niedrigster Kategorie,
ist natürlich Barnabas nicht und versteigt sich nicht dazu, es sein zu wollen.
Aber auch höhere Diener, die man hier im Dorf freilich überhaupt nicht zu
sehen bekommt, haben nach des Barnabas Bericht keine Amtsanzüge; das ist
ein gewisser Trost, könnte man von vornherein meinen, aber er ist trügerisch,
denn ist Barnabas ein höherer Diener? Nein, wenn man ihm noch so sehr
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik