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geneigt ist, das kann man nicht sagen, ein höherer Diener ist er nicht, schon
daß er ins Dorf kommt, ja sogar hier wohnt, ist ein Gegenbeweis, die höheren
Diener sind noch zurückhaltender als die Beamten, vielleicht mit Recht,
vielleicht sind sie sogar höher als manche Beamte; einiges spricht dafür: sie
arbeiten weniger, und es soll nach Barnabas ein wunderbarer Anblick sein,
diese auserlesen großen, starken Männer langsam durch die Korridore gehen
zu sehen, Barnabas schleicht an ihnen immer herum. Kurz, es kann keine
Rede davon sein, daß Barnabas ein höherer Diener ist. Also könnte er einer
der niedrigen Dienerschaft sein, aber diese haben eben Amtsanzüge,
wenigstens soweit sie ins Dorf hinunterkommen, es ist keine eigentliche
Livree, es gibt auch viele Verschiedenheiten, aber immerhin erkennt man
sofort an den Kleidern den Diener aus dem Schloß, du hast ja solche Leute im
Herrenhof gesehen. Das auffallendste an den Kleidern ist, daß sie meistens
eng anliegen, ein Bauer oder ein Handwerker könnte ein solches Kleid nicht
gebrauchen. Nun, dieses Kleid hat also Barnabas nicht; das ist nicht nur etwa
beschämend oder entwürdigend, das könnte man ertragen, aber es läßt,
besonders in trüben Stunden – und manchmal, nicht zu selten, haben wir
solche, Barnabas und ich – an allem zweifeln. Ist es überhaupt Schloßdienst,
was Barnabas tut, fragen wir dann; gewiß, er geht in die Kanzleien, aber sind
die Kanzleien das eigentliche Schloß? Und selbst wenn Kanzleien zum
Schloß gehören, sind es die Kanzleien, welche Barnabas betreten darf? Er
kommt in Kanzleien; aber es ist doch nur ein Teil aller, dann sind Barrieren,
und hinter ihnen sind noch andere Kanzleien. Man verbietet ihm nicht gerade
weiterzugehen, aber er kann doch nicht weitergehen, wenn er seine
Vorgesetzten schon gefunden hat, sie ihn abgefertigt haben und wegschicken.
Man ist dort überdies immer beobachtet, wenigstens glaubt man es. Und
selbst wenn er weiterginge, was würde es helfen, wenn er dort keine amtliche
Arbeit hat und ein Eindringling wäre? Diese Barrieren darfst du dir auch nicht
als eine bestimmte Grenze vorstellen, darauf macht mich auch Barnabas
immer wieder aufmerksam. Barrieren sind auch in den Kanzleien, in die er
geht; es gibt also auch Barrieren, die er passiert, und sie sehen nicht anders
aus als die, über die er noch nicht hinweggekommen ist, und es ist auch
deshalb nicht von vornherein anzunehmen, daß sich hinter diesen letzteren
Barrieren wesentlich andere Kanzleien befinden als jene, in denen Barnabas
schon war. Nur eben in jenen trüben Stunden glaubt man das. Und dann geht
der Zweifel weiter, man kann sich gar nicht wehren. Barnabas spricht mit
Beamten, Barnabas bekommt Botschaften. Aber was für Beamte, was für
Botschaften sind es? Jetzt ist er, wie er sagt, Klamm zugeteilt und bekommt
von ihm persönlich die Aufträge. Nun, das wäre doch sehr viel, selbst höhere
Diener gelangen nicht so weit, es wäre fast zuviel, das ist das Beängstigende.
Denk nur, unmittelbar Klamm zugeteilt sein, mit ihm von Mund zu Mund
sprechen. Aber es ist doch so? Nun ja, es ist so, aber warum zweifelt denn
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik