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werden, Unterschiede der Größe, der Haltung, der Dicke, des Bartes, nur
hinsichtlich des Kleides sind die Berichte glücklicherweise einheitlich: Er
trägt immer das gleiche Kleid, ein schwarzes Jackettkleid mit langen
Schößen. Nun gehen natürlich alle diese Unterschiede auf keine Zauberei
zurück, sondern sind sehr begreiflich, entstehen durch die augenblickliche
Stimmung, den Grad der Aufregung, die unzähligen Abstufungen der
Hoffnung oder Verzweiflung, in welcher sich der Zuschauer, der überdies
meist nur augenblickweise Klamm sehen darf, befindet. Ich erzähle dir das
alles wieder, so wie es mir Barnabas oft erklärt hat, und man kann sich im
allgemeinen, wenn man nicht persönlich unmittelbar an der Sache beteiligt
ist, damit beruhigen. Wir können es nicht, für Barnabas ist es eine
Lebensfrage, ob er wirklich mit Klamm spricht oder nicht.« – »Für mich nicht
minder«, sagte K., und sie rückten noch näher zusammen auf der Ofenbank.
Durch alle die ungünstigen Neuigkeiten Olgas war K. zwar betroffen, doch
sah er einen Ausgleich zum großen Teile darin, daß er hier Menschen fand,
denen es, wenigstens äußerlich, sehr ähnlich ging wie ihm selbst, denen er
sich also anschließen konnte, mit denen er sich in vielem verständigen konnte,
nicht nur in manchem, wie mit Frieda. Zwar verlor er allmählich die
Hoffnung auf einen Erfolg der Barnabasschen Botschaft, aber je schlechter es
Barnabas ging, desto näher kam er ihm hier unten, niemals hätte K. gedacht,
daß aus dem Dorf selbst ein derart unglückliches Bestreben hervorgehen
konnte, wie es das des Barnabas und seiner Schwester war. Es war freilich
noch bei weitem nicht genug erklärt und konnte sich schließlich noch ins
Gegenteil wenden; man mußte durch das gewisse unschuldige Wesen Olgas
sich nicht gleich verführen lassen, auch an die Aufrichtigkeit des Barnabas zu
glauben. »Die Berichte über Klamms Aussehen«, fuhr Olga fort, »kennt
Barnabas sehr gut, hat viele gesammelt und verglichen, vielleicht zu viele, hat
einmal selbst Klamm im Dorf durch ein Wagenfenster gesehen oder zu sehen
geglaubt, war also genügend vorbereitet, ihn zu erkennen, und hat doch – wie
erklärst du es dir? -, als er im Schloß in eine Kanzlei kam und man ihm unter
mehreren Beamten einen zeigte und sagte, daß dieser Klamm sei, ihn nicht
erkannt und auch nachher noch lange sich nicht daran gewöhnen können, daß
es Klamm sein sollte. Fragst du nun aber Barnabas, worin sich jener Mann
von der üblichen Vorstellung, die man von Klamm hat, unterscheidet, kann er
nicht antworten, vielmehr er antwortet und beschreibt den Beamten im
Schloß, aber die Beschreibung deckt sich genau mit der Beschreibung
Klamms, wie wir sie kennen. ›Nun also, Barnabas‹, sage ich, ›warum
zweifelst du, warum quälst du dich?‹ Worauf er dann, in sichtlicher
Bedrängnis, Besonderheiten des Beamten im Schloß aufzuzählen beginnt, die
er aber mehr zu erfinden als zu berichten scheint, die aber außerdem so
geringfügig sind – sie betreffen zum Beispiel ein besonderes Nicken des
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik