Seite - 150 - in Das Schloss
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uns erzählt?« – »Nur Andeutungen«, sagte K., »nichts Bestimmtes; aber
schon euer Name erregt sie.« – »Und auch die Wirtin hat nichts erzählt?« –
»Nein, nichts.« – »Und auch sonst niemand?« – »Niemand.« – »Natürlich,
wie könnte jemand etwas erzählen. Jeder weiß etwas über uns, entweder die
Wahrheit, soweit sie den Leuten zugänglich ist, oder wenigstens irgendein
übernommenes oder meist selbst erfundenes Gerücht, und jeder denkt an uns
mehr, als nötig ist, aber geradezu erzählen wird es niemand, diese Dinge in
den Mund zu nehmen, scheuen sie sich. Und sie haben recht darin. Es ist
schwer, es hervorzubringen, selbst dir gegenüber, K., und ist es denn nicht
auch möglich, daß du, wenn du es angehört hast, weggehst und nichts mehr
von uns wirst wissen wollen, so wenig es dich auch zu betreffen scheint.
Dann haben wir dich verloren, der du mir jetzt, ich gestehe es, fast mehr
bedeutest als der bisherige Schloßdienst des Barnabas. Und doch – dieser
Widerspruch quält mich schon den ganzen Abend – mußt du es erfahren, denn
sonst bekommst du keinen Überblick über unsere Lage, bliebest, was mich
besonders schmerzen würde, ungerecht zu Barnabas; die notwendige völlige
Einigkeit würde uns fehlen, und du könntest weder uns helfen noch unsere
Hilfe, die außerordentliche, annehmen. Aber es bleibt noch eine Frage: Willst
du es denn überhaupt wissen? « – »Warum fragst du das?« sagte K. »Wenn es
notwendig ist, will ich es wissen; aber warum fragst du so?« – »Aus
Aberglauben«, sagte Olga. »Du wirst hineingezogen sein in unsere Dinge,
unschuldig, nicht viel schuldiger als Barnabas.« – »Erzähle schnell«, sagte K.,
»ich fürchte mich nicht. Du machst es auch durch Weiberängstlichkeit
schlimmer, als es ist.«
Amalias Geheimnis
»Urteile selbst«, sagte Olga, »übrigens klingt es sehr einfach, man versteht
nicht gleich, wie es eine große Bedeutung haben kann. Es gibt einen großen
Beamten im Schloß, der heißt Sortini.« – »Ich habe schon von ihm gehört«,
sagte K., »er war an meiner Berufung beteiligt.« – »Das glaube ich nicht«,
sagte Olga, »Sortini tritt in der Öffentlichkeit kaum auf. Irrst du dich nicht mit
Sordini, mit ›doch‹ geschrieben?« – »Du hast recht«, sagte K. »Sordini war
es.« »Ja«, sagte Olga, »Sordini ist sehr bekannt, einer der fleißigsten
Beamten, von dem viel gesprochen wird; Sortini dagegen ist sehr
zurückgezogen und den meisten fremd. Vor mehr als drei Jahren sah ich ihn
zum ersten und letzten Male. Es war am dritten Juli bei einem Fest des
Feuerwehrvereins, das Schloß hatte sich auch beteiligt und eine neue
Feuerspritze gespendet. Sortini, der sich zum Teil mit
Feuerwehrangelegenheiten beschäftigen soll (vielleicht war er aber auch nur
in Vertretung da – meistens vertreten einander die Beamten gegenseitig, und
es ist deshalb schwer, die Zuständigkeit dieses oder jenes Beamten zu
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik