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Zeichen, uns zu verbeugen. Ohne ihn bisher zu kennen, hatte der Vater seit
jeher Sortini als einen Fachmann in Feuerwehrangelegenheiten verehrt und
öfters zu Hause von ihm gesprochen, es war uns daher auch sehr
überraschend und bedeutungsvoll, jetzt Sortini in Wirklichkeit zu sehen.
Sortini aber kümmerte sich um uns nicht – es war das keine Eigenheit
Sortinis, die meisten Beamten scheinen in der Öffentlichkeit teilnahmslos -,
auch war er müde, nur seine Amtspflicht hielt ihn hier unten; es sind nicht die
schlechtesten Beamten, welche gerade solche Repräsentationspflichten als
besonders drückend empfinden; andere Beamten und Diener mischten sich,
da sie nun schon einmal da waren, unter das Volk; er aber blieb bei der
Spritze, und jeden, der sich ihm mit irgendeiner Bitte oder Schmeichelei zu
nähern suchte, vertrieb er durch sein Schweigen. So kam es, daß er uns noch
später bemerkte als wir ihn. Erst als wir uns ehrfurchtsvoll verbeugten und der
Vater uns zu entschuldigen suchte, blickte er nach uns hin, blickte der Reihe
nach von einem zum andern, müde; es war, als seufzte er darüber, daß neben
dem einen immer wieder noch ein zweiter sei, bis er dann bei Amalia
haltmachte, zu der er aufschauen mußte, denn sie war viel größer als er. Da
stutzte er, sprang über die Deichsel, um Amalia näher zu sein, wir
mißverstanden es zuerst und wollten uns alle unter Anführung des Vaters ihm
nähern, aber er hielt uns ab mit erhobener Hand und winkte uns dann zu
gehen. Das war alles. Wir neckten dann Amalia viel damit, daß sie nun
wirklich einen Bräutigam gefunden habe, in unserem Unverstand waren wir
den ganzen Nachmittag über sehr fröhlich; Amalia aber war schweigsamer als
jemals. ›Sie hat sich ja toll und voll in Sortini verliebt‹, sagte Brunswick, der
immer ein wenig grob ist und für Naturen wie Amalia kein Verständnis hat;
aber diesmal schien uns seine Bemerkung fast richtig; wir waren überhaupt
närrisch an dem Tag und alle, bis auf Amalia, von dem süßen Schloßwein wie
betäubt, als wir nach Mitternacht nach Hause kamen.« – »Und Sortini?«
fragte K. »Ja, Sortini«, sagte Olga, »Sortini sah ich während des Festes im
Vorübergehen noch öfters, er saß auf der Deichsel, hatte die Arme über der
Brust gekreuzt und blieb so, bis der Schloßwagen kam, um ihn abzuholen.
Nicht einmal zu den Feuerwehrübungen ging er, bei denen der Vater damals,
gerade in der Hoffnung, daß Sortini zusehe, vor allen Männern seines Alters
sich auszeichnete.« – »Und habt ihr nicht mehr von ihm gehört?« fragte K.
»Du scheinst ja für Sortini große Verehrung zu haben.« »Ja, Verehrung«,
sagte Olga. »ja, und gehört haben wir auch noch von ihm. Am nächsten
Morgen wurden wir aus unserem Weinschlaf durch einen Schrei Amalias
geweckt; die anderen fielen gleich wieder in die Betten zurück, ich war aber
gänzlich wach und lief zu Amalia. Sie stand beim Fenster und hielt einen
Brief in der Hand, den ihr eben ein Mann durch das Fenster gereicht hatte, der
Mann wartete noch auf Antwort. Amalia hatte den Brief – er war kurz – schon
gelesen und hielt ihn in der schlaff hinabhängenden Hand; wie liebte ich sie,
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik