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welche förmlich gegen ihren Willen den Geruch solchen Wildes lieben, bei
den Aufnahmeprüfungen schnuppern sie in der Luft, verziehen den Mund,
verdrehen die Augen, ein solcher Mann scheint für sie gewissermaßen
ungeheuer appetitanreizend zu sein, und sie müssen sich sehr fest an die
Gesetzbücher halten, um dem widerstehen zu können. Manchmal hilft das
allerdings dem Mann nicht zur Aufnahme, sondern nur zur endlosen
Ausdehnung des Aufnahmeverfahrens, das dann überhaupt nicht beendet,
sondern nach dem Tode des Mannes nur abgebrochen wird. So ist also sowohl
die gesetzmäßige Aufnahme als auch die andere voll offener und versteckter
Schwierigkeiten, und ehe man sich auf etwas Derartiges einläßt, ist es sehr
ratsam, alles genau zu erwägen. Nun, daran haben wir es nicht fehlen lassen,
Barnabas und ich. Immer, wenn ich aus dem Herrenhof kam, setzten wir uns
zusammen, ich erzählte das Neueste, was ich erfahren hatte, tagelang
sprachen wir es durch, und die Arbeit in des Barnabas Hand ruhte oft länger,
als es gut war. Und hier mag ich eine Schuld in deinem Sinne haben. Ich
wußte doch, daß auf die Erzählungen der Knechte nicht viel Verlaß war. Ich
wußte, daß sie niemals Lust hatten, mir vom Schloß zu erzählen, immer zu
anderem ablenkten, jedes Wort sich abbetteln ließen, dann aber freilich, wenn
sie in Gang waren, loslegten, Unsinn schwatzten, großtaten, einander in
Übertreibungen und Erfindungen überboten, so daß offenbar in dem endlosen
Geschrei, in welchem einer den anderen ablöste, dort im dunklen Stalle
bestenfalls ein paar magere Andeutungen der Wahrheit enthalten sein
mochten. Ich aber erzählte dem Barnabas alles wieder, so wie ich es mir
gemerkt hatte, und er, der noch gar keine Fähigkeit hatte, zwischen Wahrem
und Erlogenem zu unterscheiden und infolge der Lage unserer Familie fast
verdurstete vor Verlangen nach diesen Dingen, er trank alles in sich hinein
und glühte vor Eifer nach Weiterem. Und tatsächlich ruhte auf Barnabas mein
neuer Plan. Bei den Knechten war nichts mehr zu erreichen. Der Bote Sortinis
war nicht zu finden und würde niemals zu finden sein, immer weiter schien
sich Sortini und damit auch der Bote zurückzuziehen, oft geriet ihr Aussehen
und Name schon in Vergessenheit, und ich mußte sie oft lange beschreiben,
um damit nichts zu erreichen, als daß man sich mühsam an sie erinnerte, aber
darüber hinaus nichts über sie sagen konnte. Und was mein Leben mit den
Knechten betraf, so hatte ich natürlich keinen Einfluß darauf, wie es beurteilt
wurde, konnte nur hoffen, daß man es so aufnehmen würde, wie es getan war,
und daß dafür ein Geringes von der Schuld unserer Familie abgezogen würde,
aber äußere Zeichen dessen bekam ich nicht. Doch blieb ich dabei, da ich für
mich keine andere Möglichkeit sah, im Schloß etwas für uns zu bewirken. Für
Barnabas aber sah ich eine solche Möglichkeit. Aus den Erzählungen der
Knechte konnte ich, wenn ich dazu Lust hatte, und diese Lust hatte ich in
Fülle, entnehmen, daß jemand, der in Schloßdienste aufgenommen ist, sehr
viel für seine Familie erreichen kann. Freilich, was war an diesen
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik