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Erzählungen Glaubwürdiges? Das war unmöglich festzustellen, nur daß es
sehr wenig war, war klar. Denn wenn mir zum Beispiel ein Knecht, den ich
niemals mehr sehen würde oder den ich, wenn ich ihn auch sehen sollte, kaum
wiedererkennen würde, feierlich zusicherte, meinem Bruder zu einer
Anstellung im Schloß zu verhelfen oder zumindest, wenn Barnabas sonstwie
ins Schloß kommen sollte, ihn zu unterstützen, also etwa ihn zu erfrischen –
denn nach den Erzählungen der Knechte kommt es vor, daß Anwärter für
Stellungen während der überlangen Wartezeit ohnmächtig oder verwirrt
werden und dann verloren sind, wenn nicht Freunde für sie sorgen -, wenn
solches und vieles andere mir erzählt wurde, so waren das wahrscheinlich
berechtigte Warnungen, aber die zugehörigen Versprechungen waren völlig
leer. Für Barnabas nicht; zwar warnte ich ihn, ihnen zu glauben, aber schon,
daß ich sie ihm erzählte, war genügend, um ihn für meine Pläne einzunehmen.
Was ich selbst dafür anführte, wirkte auf ihn weniger, auf ihn wirkten
hauptsächlich die Erzählungen der Knechte. Und so war ich eigentlich
gänzlich auf mich allein angewiesen, mit den Eltern konnte sich überhaupt
niemand außer Amalia verständigen, je mehr ich die alten Pläne meines
Vaters in meiner Art verfolgte, desto mehr schloß sich Amalia vor mir ab, vor
dir oder anderen spricht sie mit mir, allein niemals mehr, den Knechten im
Herrenhof war ich ein Spielzeug, das zu zerbrechen sie sich wütend
anstrengten, kein einziges vertrauliches Wort habe ich während der zwei Jahre
mit einem von ihnen gesprochen, nur Hinterhältiges oder Erlogenes oder
Irrsinniges, blieb mir also nur Barnabas, und Barnabas war noch sehr jung.
Wenn ich bei meinen Berichten den Glanz in seinen Augen sah, den er
seitdem behalten hat, erschrak ich und ließ doch nicht ab, zu Großes schien
mir auf dem Spiel zu sein. Freilich, die großen, wenn auch leeren Pläne
meines Vaters hatte ich nicht, ich hatte nicht diese Entschlossenheit der
Männer, ich blieb bei der Wiedergutmachung der Beleidigung des Boten und
wollte gar noch, daß man mir diese Bescheidenheit als Verdienst anrechne.
Aber was mir allein mißlungen war, wollte ich jetzt durch Barnabas anders
und sicher erreichen. Einen Boten hatten wir beleidigt und ihn aus den
vorderen Kanzleien verscheucht; was lag näher, als in der Person des
Barnabas einen neuen Boten anzubieten, durch Barnabas die Arbeit des
beleidigten Boten ausführen zu lassen und dem Beleidigten es so zu
ermöglichen, ruhig in der Ferne zu bleiben, wie lange er wollte, wie lange er
es zum Vergessen der Beleidigung brauchte. Ich merkte zwar gut, daß in aller
Bescheidenheit dieses Planes auch Anmaßung lag, daß es den Eindruck
erwecken konnte, als ob wir der Behörde diktieren wollten, wie sie
Personalfragen ordnen sollte, oder als ob wir daran zweifelten, daß die
Behörde aus eigenem das Beste anzuordnen fähig war und es sogar schon
längst angeordnet hatte, ehe wir nur auf den Gedanken gekommen waren, daß
hier etwas getan werden könnte. Doch glaubte ich dann wieder, daß es
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik