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Kapitel
Als er dann auf der Straße war, sah er, soweit die trübe Nacht es erlaubte,
weiter oben vor des Barnabas Haus noch immer den Gehilfen auf und ab
gehen, manchmal blieb er stehen und versuchte durch das verhängte Fenster
in die Stube zu leuchten. K. rief ihn an; ohne sichtlich zu erschrecken, ließ er
von dem Ausspionieren des Hauses ab und kam auf K. zu. »Wen suchst du?«
fragte K. und prüfte am Schenkel die Biegsamkeit der Weidenrute. »Dich«,
sagte der Gehilfe im Näherkommen. »Wer bist du denn?« sagte K. plötzlich,
denn es schien nicht der Gehilfe zu sein. Er schien älter, müder, faltiger, aber
voller im Gesicht, auch sein Gang war ganz anders als der flinke, in den
Gelenken wie elektrisierte Gang der Gehilfen, er war langsam, ein wenig
hinkend, vornehm kränklich. »Du erkennst mich nicht?« fragte der Mann.
»Jeremias, dein alter Gehilfe.« – »So«, sagte K. und zog wieder die
Weidenrute ein wenig hervor, die er schon hinter dem Rücken versteckt hatte.
»Du siehst aber ganz anders aus.« – »Es ist, weil ich allein bin«, sagte
Jeremias. »Bin ich allein, dann ist auch die fröhliche Jugend dahin.« »Wo ist
denn Artur?« fragte K. »Artur?« fragte Jeremias. »Der kleine Liebling? Er hat
den Dienst verlassen. Du warst aber auch ein wenig grob und hart zu uns. Die
zarte Seele hat es nicht ertragen. Er ist ins Schloß zurückgekehrt und führt
Klage über dich.« »Und du?« fragte K. »Ich konnte bleiben«, sagte Jeremias,
»Artur führt die Klage auch für mich.« – »Worüber klagt ihr denn?« fragte K.
»Darüber«, sagte Jeremias, »daß du keinen Spaß verstehst. Was haben wir
denn getan? Ein wenig gescherzt, ein wenig gelacht, ein wenig deine Braut
geneckt. Alles übrigens nach dem Auftrag. Als uns Galater zu dir schickte « -
»Galater?« fragte K. »Ja, Galater«, sagte Jeremias. »Er vertrat damals gerade
Klamm. Als er uns zu dir schickte, sagte er – ich habe es mir genau gemerkt,
denn darauf berufen wir uns ja -: ›Ihr geht hin als die Gehilfen des
Landvermessers.‹ Wir sagten: ›Wir verstehen aber nichts von dieser Arbeit.‹
Er darauf: ›Das ist nicht das wichtigste; wenn es nötig sein wird, wird er es
euch beibringen. Das wichtigste ist aber, daß ihr ihn ein wenig erheitert. Wie
man mir berichtet, nimmt er alles sehr schwer. Er ist jetzt ins Dorf
gekommen, und gleich ist ihm das ein großes Ereignis, während es doch in
Wirklichkeit gar nichts ist. Das sollt ihr ihm beibringen.‹« – »Nun«, sagte K.,
»hat Galater recht gehabt und habt ihr den Auftrag ausgeführt?« – »Das weiß
ich nicht«, sagte Jeremias. »In der kurzen Zeit war es wohl auch nicht
möglich. Ich weiß nur, daß du sehr grob warst, und darüber klagen wir. Ich
verstehe nicht, wie du, der du doch auch nur ein Angestellter bist und nicht
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Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik