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»Du hast meine Bitte Klamm vorgebracht?« – »Das ging nicht«, sagte
Barnabas. »Ich habe mich sehr bemüht, aber es war unmöglich, ich habe mich
vorgedrängt, stand den ganzen Tag über, ohne dazu aufgefordert zu sein, so
nahe am Pult, daß mich einmal ein Schreiber, dem ich im Licht war, sogar
wegschob, meldete mich, was verboten ist, mit erhobener Hand, wenn Klamm
aufsah, blieb am längsten in der Kanzlei, war schon nur allein mit den
Dienern dort, hatte noch einmal die Freude, Klamm zurückkommen zu sehen,
aber es war nicht meinetwegen, er wollte nur schnell noch etwas in einem
Buche nachsehen und ging gleich wieder, schließlich kehrte mich der Diener,
da ich mich noch immer nicht rührte, fast mit dem Besen aus der Tür. Ich
gestehe das alles, damit du nicht wieder unzufrieden bist mit meinen
Leistungen.« – »Was hilft mir all dein Fleiß, Barnabas«, sagte K., »wenn er
gar keinen Erfolg hat.« – »Aber ich hatte Erfolg«, sagte Barnabas. »Als ich
aus meiner Kanzlei trat – ich nenne sie meine Kanzlei -, sehe ich, wie aus den
tieferen Korridoren ein Herr langsam herankommt, sonst war schon alles leer;
es war ja schon sehr spät. Ich beschloß, auf ihn zu warten; es war eine gute
Gelegenheit, noch dort zu bleiben, am liebsten wäre ich ja überhaupt dort
geblieben, um dir die schlechte Meldung nicht bringen zu müssen. Aber es
lohnte sich auch sonst, auf den Herrn zu warten, es war Erlanger. Du kennst
ihn nicht? Er ist einer der ersten Sekretäre Klamms. Ein schwacher, kleiner
Herr, er hinkt ein wenig. Er erkannte mich sofort, er ist berühmt wegen seines
Gedächtnisses und seiner Menschenkenntnis, er zieht nur die Augenbrauen
zusammen, das genügt ihm, um jeden zu erkennen, oft auch Leute, die er nie
gesehen hat, von denen er nur gehört oder gelesen hat, mich zum Beispiel
dürfte er kaum je gesehen haben. Aber obwohl er jeden Menschen gleich
erkennt, fragt er zuerst, so, wie wenn er unsicher wäre. ›Bist du nicht
Barnabas?‹ sagte er zu mir. Und dann fragte er: ›Du kennst den
Landvermesser, nicht?‹ Und dann sagte er: ›Das trifft sich gut; ich fahre jetzt
in den Herrenhof. Der Landvermesser soll mich dort besuchen. Ich wohne im
Zimmer Nummer fünfzehn. Doch müßte er gleich jetzt kommen. Ich habe nur
einige Besprechungen dort und fahre um fünf Uhr früh wieder zurück. Sag
ihm, daß mir viel daran liegt, mit ihm zu sprechen.‹«
Plötzlich setzte sich Jeremias in Lauf. Barnabas, der ihn in seiner
Aufregung bisher kaum beachtet hatte, fragte: »Was will denn Jeremias?« –
»Mir bei Erlanger zuvorkommen«, sagte K., lief schon hinter Jeremias her,
fing ihn ein, hing sich an seinen Arm und sagte: »Ist es die Sehnsucht nach
Frieda, die dich plötzlich ergriffen hat? Ich habe sie nicht minder, und so
werden wir in gleichem Schritte gehen.«
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Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik