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ungefährlicher war als Artur, der im Schloß gegen ihn arbeitete. Vielleicht
war es sogar klüger, sich von ihnen als Gehilfen quälen zu lassen, als sie so
unkontrolliert umherstreichen und ihre Intrigen, für die sie eine besondere
Anlage zu haben schienen, frei betreiben zu lassen.
Als K. an Momus vorüberkam, tat dieser, als erkenne er erst jetzt in ihm
den Landvermesser. »Ah, der Herr Landvermesser«, sagte er, »der, welcher
sich so ungern verhören läßt, drängt sich zum Verhör. Bei mir wäre es damals
einfacher gewesen. Nun freilich, es ist schwer, die richtigen Verhöre
auszuwählen.« Als K. auf diese Ansprache hin stehenbleiben wollte, sagte
Momus: »Gehen Sie, gehen Sie! Damals hätte ich Ihre Antworten gebraucht,
jetzt nicht.« Trotzdem sagte K., erregt durch des Momus Benehmen: »Ihr
denkt nur an Euch. Bloß des Amtes wegen antworte ich nicht; weder damals
noch heute.« Momus sagte: »An wen sollen wir denn denken? Wer ist denn
sonst noch hier? Gehen Sie!« Im Flur empfing sie ein Diener und führte sie
den K. schon bekannten Weg über den Hof, dann durch das Tor und in den
niedrigen, ein wenig sich senkenden Gang. In den oberen Stockwerken
wohnten offenbar nur die höheren Beamten, die Sekretäre dagegen wohnten
an diesem Gang, auch Erlanger, obwohl er einer ihrer obersten war. Der
Diener löschte seine Laterne aus, denn hier war helle elektrische Beleuchtung.
Alles war hier klein, aber zierlich gebaut. Der Raum war möglichst
ausgenutzt. Der Gang genügte knapp, aufrecht in ihm zu gehen. An den
Seiten war eine Tür fast neben der anderen. Die Seitenwände reichten nicht
bis zur Decke, dies wahrscheinlich aus Ventilationsrücksichten, denn die
Zimmerchen hatten wohl hier in dem tiefen, kellerartigen Gang keine Fenster.
Der Nachteil dieser nicht ganz schließenden Wände war die Unruhe im Gang
und notwendigerweise auch in den Zimmern. Viele Zimmer schienen besetzt
zu sein, in den meisten war man noch wach, man hörte Stimmen,
Hammerschläge, Gläserklingen. Doch hatte man nicht den Eindruck
besonderer Lustigkeit. Die Stimmen waren gedämpft, man verstand kaum hier
und da ein Wort, es schienen auch nicht Unterhaltungen zu sein,
wahrscheinlich diktierte nur jemand etwas oder las etwas vor, gerade aus den
Zimmern, aus denen der Klang von Gläsern und Tellern kam, hörte man kein
Wort, und die Hammerschläge erinnerten K. daran, was ihm irgendwo erzählt
worden war, daß manche Beamte, um sich von der fortwährenden geistigen
Anstrengung zu erholen, sich zeitweilig mit Tischlerei, Feinmechanik und
dergleichen beschäftigen. Der Gang selbst war leer, nur vor einer Tür saß ein
bleicher, schmaler, großer Herr im Pelz, unter dem die Nachtwäsche
hervorsah; wahrscheinlich war es ihm im Zimmer zu dumpf geworden, so
hatte er sich herausgesetzt und las da eine Zeitung, aber nicht aufmerksam,
gähnend ließ er öfters vom Lesen ab, beugte sich vor und blickte den Gang
entlang; vielleicht erwartete er eine Partei, die er vorgeladen hatte und die zu
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik