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schweigend wieder umwenden wollte, fragte sie: »Woher hast du denn dein
Wissen von den Kleidern?« K. zuckte die Achseln, er habe kein Wissen. »Du
hast keines«, sagte die Wirtin. »Du sollst dir aber auch keines anmaßen.
Komm hinüber in das Kontor, ich werde dir etwas zeigen, dann wirst du deine
Keckheiten hoffentlich für immer unterlassen.« Sie ging voraus durch die
Tür; Pepi sprang zu K., unter dem Vorwand, von K. die Zahlung zu
bekommen, verständigten sie sich schnell, es war sehr leicht, da K. den Hof
kannte, dessen Tor in die Seitenstraße führte, neben dem Tor war ein kleines
Pförtchen, hinter dem wollte Pepi in einer Stunde etwa stehen und es auf
dreimaliges Klopfen öffnen.
Das Privatkontor lag gegenüber dem Ausschank, nur der Flur war zu
durchqueren, die Wirtin stand schon im beleuchteten Kontor und sah
ungeduldig K. entgegen. Es gab aber noch eine Störung. Gerstäcker hatte im
Flur gewartet und wollte mit K. sprechen. Es war nicht leicht, ihn
abzuschütteln, auch die Wirtin half mit und verwies Gerstäcker seine
Zudringlichkeit. »Wohin denn? Wohin denn?« hörte man Gerstäcker noch
rufen, als die Tür schon geschlossen war, und die Worte vermischten sich
häßlich mit Seufzern und Husten.
Es war ein kleines, überheiztes Zimmer. An den Schmalwänden standen ein
Stehpult und eine eiserne Kasse, an den Längswänden ein Kasten und eine
Ottomane. Am meisten Raum nahm der Kasten in Anspruch; nicht nur, daß er
die ganze Längswand ausfüllte, auch durch seine Tiefe engte er das Zimmer
sehr ein, drei Schiebetüren waren nötig, ihn völlig zu öffnen. Die Wirtin
zeigte auf die Ottomane, daß sich K. setzen möge, sie selbst setzte sich auf
den Drehsessel beim Pult. »Hast du nicht einmal Schneiderei gelernt?« fragte
die Wirtin. – »Nein, niemals«, sagte K. – »Was bist du denn eigentlich?« –
»Landvermesser.« – »Was ist denn das?« K. erklärte es, die Erklärung machte
sie gähnen. »Du sagst nicht die Wahrheit. Warum sagst du denn nicht die
Wahrheit?« – »Auch du sagst sie nicht.« – »Ich? Du beginnst wohl wieder mit
deinen Keckheiten? Und wenn ich sie nicht sagte – habe ich mich denn vor
dir zu verantworten? Und worin sage ich denn nicht die Wahrheit?« – »Du
bist nicht nur Wirtin, wie du vorgibst.« – »Sieh mal! Du bist voll
Entdeckungen! Was bin ich denn noch? Deine Keckheiten nehmen nun aber
schon wahrhaftig überhand.« – »Ich weiß nicht, was du sonst bist. Ich sehe
nur, daß du eine Wirtin bist und außerdem Kleider trägst, die nicht für eine
Wirtin passen und wie sie auch sonst meines Wissens niemand hier im Dorfe
trägt.« – »Nun also kommen wir zu dem Eigentlichen. Du kannst es ja nicht
verschweigen, vielleicht bist du gar nicht keck, du bist nur wie ein Kind, das
irgendeine Dummheit weiß und durch nichts dazu gebracht werden könnte,
sie zu verschweigen. Rede also! Was ist das Besondere dieser Kleider?« –
»Du wirst böse sein, wenn ich es sage.« – »Nein, ich werde darüber lachen, es
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Buch Das Schloss"
Das Schloss
- Titel
- Das Schloss
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1926
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 246
- Schlagwörter
- Roman, Literatur, Schriftsteller
- Kategorien
- Weiteres Belletristik