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Das Rote Wien | 23
schen föderalistischen gesamtdeutschen Reiches mit Wien als Zentrum ab. Das ideologi-
sche Konstrukt fußte weitgehend auf der Geschichte der Habsburgermonarchie und des
Heiligen Römischen Reiches.27
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Die landes- sowie bundespolitischen Kämpfe, die internationale Entwicklung hin zu auto-
ritären Systemen und die allgemeine Krise des Wirtschaftssystems wirkten sich zunehmend
negativ auf die politische und reformerische Stellung der österreichischen Bundeshauptstadt
Wien aus. Dort hatte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) mit dem Reformprojekt
des Roten Wien ein international anerkanntes Beispiel kommunaler Politik etabliert.
Mittels verstärkter Sozialpolitik und eines umfassenden Wohnbauprogramms war die
Stadt nach Ende des Ersten Weltkrieges bundespolitisches Aushängeschild sozialdemokra-
tischer Politik geworden. Wien wurde dabei bewusst als Subsystem austromarxistischer
Reformen28 gestaltet, um als Musterbeispiel für die Durchsetzung der sozialdemokratischen
Politik innerhalb des republikanischen, demokratischen Systems in Österreich29 zu dienen.30
Die Wiener Gemeinde entwickelte, als erste sozialdemokratische Verwaltung einer
europäischen Millionenstadt, eine erste Gesamtstrategie zur Umformung der Wiener
metropolitanen Infrastruktur. Eckpfeiler dieses aktiven und radikalen Reformprozesses waren
vor allem die Schulreform Otto Glöckels,31 die Fürsorgepolitik Julius Tandlers,32 die Steu-
erreform Hugo Breitners33 und das Wohnbauprogramm.34
Durch Krisenerscheinungen des Wohnungsbaus der privaten Bauwirtschaft im Ersten
Weltkrieg war eine Sozialgesetzgebung ermöglicht worden, die sich nach Ende des Krie-
27 Anton Staudinger, Austrofaschistische „Österreich“-Ideologie, in: Talos, Neugebauer (Hg.), Austrofaschismus, 2005,
S. 47–49.
28 Die Stärke des Austromarxismus von Otto Bauer bestand vor allem in seiner integrativen Wirkung auf verschiedenste
ideologische Strömungen. Revolutionäre Kader und reformistische Massenpartei konnten weitgehend zusammenge-
führt werden, vgl.: Wolfgang Maderthaner, Die österreichische Sozialdemokratie 1918 bis 1934 – Die größte Parteiorga-
nisation der Welt, in: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.), Das Rote Wien, 1993, S. 30.
29 Die österreichische Bundespolitik wurde ab 1920 von der Alleinregierung bürgerlicher Parteien dominiert.
30 Frei, Austromarxismus und Arbeiterkultur, 1984, S. 66.
31 Der sozialdemokratische Politiker führte ab 1922 als Präsident des Stadtschulrates die Wiener Schulreform durch. Sei-
ne Ziele waren die Gesamtschule und die Trennung von Kirche und Schule. 1934 wurde er verhaftet und ins politische
Anhaltelager Wöllersdorf gebracht.
32 Der Arzt kämpfte als sozialdemokratischer Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen in Wien gegen die Wie-
ner Krankheit genannte Tuberkulose. 1934 wurde er vom neuen Regime in Pension geschickt.
33 Breitner wurde am 4. Mai 1919 Stadtrat für das Finanzwesen. Er war 1923 Hauptverantwortlicher für die Wohnbausteu-
er in Wien, die die soziale Gemeindebautätigkeit ermöglichte. Während seiner Amtszeit war Breitner verstärkt populisti-
schen Angriffen der Konservativen ausgesetzt. 1934 wurde er durch die autoritäre Regierung verhaftet, es konnte ihm
jedoch keinerlei wirtschaftliches Fehlverhalten nachgewiesen werden.
34 Maderthaner, Sozialdemokratie, in: Historisches Museum der Stadt Wien (Hg.), Das Rote Wien, 1993, S. 40 f.
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Titel
- Das Schwarze Wien
- Untertitel
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Autor
- Andreas Suttner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 296
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918