Seite - 131 - in Das Schwarze Wien - Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
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Siedlungsbau im Ständestaat | 131
Schon Anfang 1934 erkannte die Vaterländische Front die Bedeutung des Siedlungsbaus.
Er sollte nicht nur die wirtschaftliche Lage der eigenen Mitglieder verbessern, sondern
auch Neuzugänge durch die als Aufbauarbeit verstandene Propagandawirkung anspre-
chen.522 Innerhalb der Zentralleitung sollte ein Referat für Siedlungswesen und eigene
Unterreferate geschaffen werden. Die Kanzleien dafür wurden in den Wiener Bezirkslei-
tungen VI und VII angedacht. Als Leiter wurden die Bezirksfunktionäre Powolny, Sedlat-
schek523 und Kallinka vorgeschlagen.524 Ab April 1934 bewarben sich ebenfalls der Forst-
techniker Karl Nagel525 und der bisherige Referent des Siedlungswesens der Vaterländischen
Front Margareten, Karl Hesse,526 als Hauptreferenten für das Siedlungswesen in der
Bundesführung.527 Verwirklicht wurde die Dachorganisation im Juli 1934 mit der Etablie-
rung des Österreichischen Hauptverbandes für Siedlungs- und Kleingartenwesen in der Vaterlän-
dischen Front unter der Leitung von Amand Vejborny.528 Alle Vereine und Genossenschaf-
ten auf dem Gebiet des Siedlungs- und Kleingärtnerwesens sollten somit unter Führung
der Vaterländischen Front im Hauptverband und dessen Fachverbänden gesammelt werden.
Die Mitgliedschaft war zudem Voraussetzung für öffentliche Förderungen.529
Mittels einer Verordnung der Bundesregierung vom 3. März 1934530 wurden die sozial-
demokratischen Mitglieder der privatrechtlichen Körperschaften ausgeschaltet. Dies betraf
ebenfalls die Baugenossenschaften. Deren Leitung konnte entweder enthoben und durch
Verwalter und Verwaltungsausschüsse weitergeführt werden, oder Überwachungspersonen
des Bundes-, Wohn- und Siedlungsamtes (BWSA) konnten bei der Leitung von Baugenos-
senschaften jederzeit ein Einspruchsrecht geltend machen. Österreichweit betraf die
Verordnung 1934 ganze 33 Genossenschaften. Zwischen 1935 und 1937 stieg die Anzahl
sogar auf rund 40.531
522 Bezirksstelle Neubau, Stadtrandsiedlung, 02.01.1934, in: AdR Sonderarchiv Moskau, Schachtel: 514/1/1301.
523 Der Stadtbaumeister und Vorstandsmitglied der gemeinnützigen Bau-, Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft
„Baue dein Heim“ verfasste 1933 ein Exposé zur Siedlungsfinanzierung mit Kapital der Privatwirtschaft, vgl.: AdR Son-
derarchiv Moskau, Schachtel: 514/1/1301.
524 Bezirksstelle Neubau, Stadtrandsiedlung, 02.01.1934, in: AdR Sonderarchiv Moskau, Schachtel: 514/1/1301.
525 Der Obmann der Vereinigung Notwehr – Erwerbsloser Österreichs bewarb sich mit seinem 1931 gefertigten Siedlungs-
und Finanzierungsprogramm zur Errichtung einer genossenschaftlichen Erwerbssiedlungsgemeinschaft, die laut
Eigenaussage 1932 als Stadtrandsiedlung Leopoldau ausgeführt wurde, vgl.: Forsttechniker Karl Nagel, 6. April 1934,
in: AdR Sonderarchiv Moskau, Schachtel: 514/1/1301.
526 Praktische Erfahrung hatte er laut Eigenaussage bereits durch die Beteiligung am Bau der Großsiedlung Ostmark und
der Siedlung Gartenheim erworben.
527 Bundesfürsorgerat Karl Hesse Hilfsdirektor i. R. 17. April 1934, in: AdR Sonderarchiv Moskau, Schachtel: 514/1/2594.
528 Vejborny war bis 1932 Leiter des Bundes-, Wohn- und Siedlungsamtes, ab1932 Geschäftsführer der Österreichischen
Wohnfürsorgegesellschaft, vgl.: Bonczak, Wohnungsfürsorge, 1947; Karl Maria Stepan, Der Oesterreichische Hauptver-
band für das Siedlungs- und Kleingartenwesen in der Vaterländischen Front, in: Die Baugenossenschaft, Jg. 7, 20. Juli
1934, Nr. 7, Wien, S. 85.
529 Amand Vejborny, Was soll der Hauptverband?, in: Die Baugenossenschaft, Jg. 7, 20. August 1934, Nr. 8, Wien, S. 98.
530 Verordnung der Bundesregierung vom 3. März 1934, BGBl. Nr. 130/1934: Vorkehrungen zur Sicherung einer mit den
Interessen der Allgemeinheit übereinstimmenden Geschäftsführung privatrechtlicher Körperschaften.
531 Bonczak, Wohnungsfürsorge, 1947, S. 274–277.
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Titel
- Das Schwarze Wien
- Untertitel
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Autor
- Andreas Suttner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 296
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918