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154 | Wien im Ständestaat
tigung von Elendswohnungen im nationalsozialistischen Deutschland wurde der Bau
dieser Siedlung von der NS-Verwaltung der Gemeinde Wien überlassen.661
Die Ab- und Umsiedlung der BewohnerInnen von Barackenlagern662 wurde in den
1930er Jahren international diskutiert, sowohl in Europa als auch in den USA. Der Stän-
destaat schöpfte aus diesen Ideen und versuchte in der Hasenleitengasse zuerst einige
Baublöcke herzustellen, um dann die BewohnerInnen des sogenannten Russenlagers laufend
umsiedeln zu können.663 Insgesamt 800 Familien mit 3.500 Menschen, davon 1.080 Schul-
kinder und 500 Kleinkinder, waren betroffen. Rund 90 % der Erwachsenen waren arbeits-
los und ausgesteuert.664 Die NS-Verwaltung hingegen beschritt einen besonders dreisten
Weg. Aus Gemeindebauten zwangsweise ausquartierte jüdische BewohnerInnen wurden
als sogenannte Abrissmieter benutzt, das Barackenlager zum zeitlich und räumlich begrenz-
ten Anhaltelager umfunktioniert.665
2 3 3 Stil der Siedlungen
2.3.3.1 Stil der Stadtrandsiedlungen
Ideologisch wurde das Siedlungshaus als Arbeiterwohnung der Zukunft propagiert und den
kleinen Zimmer-Küche-Wohnungen der Mietskasernen gegenübergestellt. Dabei wurden
Reihenhaussiedlungen von 50 bis 100 Eigenheimen angedacht.666 Die Typenentwürfe der
Reihenhaus-Siedlungskonzepte waren mannigfaltig. Kreisförmige Anordnung der Sied-
lungshäuser mit strahlenförmigen davon ausgehenden Anbauflächen der Architekten
Hermann Stiegholzer und Herbert Kastinger667 standen neben Ideen der Verkettung von
mehreren Reihenhäusern durch die dem Regime nahe stehende Siedlungs- und Tauschge-
meinschaft Baugenossenschaft mbH.668
Die Stadtrandsiedlungshäusertypen, die bei einem Wettbewerb der Zentralvereinigung
der Architekten Österreichs und des Österreichischen Werkbundes entworfen wurden, unter-
661 Akt: Beseitigung von Elendswohnungen in Österreich, Erlass des Reichs- und Preussischen Arbeitsministers vom
17. Mai 1938, IV a 7 Nr. 3.020 Ö. 7., in: AdR BMfsV 1, 7. BWSA, Schachtel: 3408.
662 Die Bevölkerung der Elendsviertel bildete ein spezielles widerständisches Milieu, das nicht nur im Ständestaat ein an-
dauernder Unruheherd blieb. Die Zerstreuung der BewohnerInnen hatte somit ebenfalls einen politischen Hintergrund,
vgl.: Maderthaner, 1860 bis 1945, in: Csendes, Opll (Hg.), Wien, Bd. 3: 1790 bis zur Gegenwart, 2006, S. 492–494.
663 Neue Städtische Arbeitsvergebungen, in: Amtsblatt der Stadt Wien, Nr. 28, Jg. 45, 10. Juli 1937, S. 14; Weihsmann, Bau-
en unterm Hakenkreuz, 1998, S. 1042 f.
664 Maderthaner, 1860 bis 1945, in: Csendes, Opll (Hg.), Wien, Bd. 3: 1790 bis zur Gegenwart, 2006, S. 492.
665 Exenberger, Koß, Ungar-Klein, Nichtarier, 1996, S. 99–108.
666 Das kleine Eigenheim – die Arbeiterwohnung der Zukunft, in: Österreichische Bauzeitung, 3. Jg. Wien, Jänner 1938,
Nr. 3, S. 33 f.
667 Daniel Doppelreiter, Das Siedlerdorf, in: Bundesministerium für Handel und Verkehr (Hg.), Der Siedler – Anlage – Pläne
und Kosten der Stadtrandsiedlung, Wien, 1934, S. 36.
668 Aufbau in Österreich – Zeitschrift für Wirtschaftsbelebung, Bauförderung und Wohnkultur, Jg. 1, Wien, Nr. 1, April 1935,
S. 2.
Open Access © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien Köln Weimar
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Titel
- Das Schwarze Wien
- Untertitel
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Autor
- Andreas Suttner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 296
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918