Seite - 168 - in Das Schwarze Wien - Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
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168 | Wien im Ständestaat
In Deutschland, Italien und der Sowjetunion wurde, laut Bodenschatz, schon ab 1933
eine überzogene Monumentalisierung der Architektur innerhalb eines Wettbewerbes der drei
politischen Systeme begonnen, die gravierende Folgen für eine diktatorische Neuordnung
der europäischen Großstädte hatte.713 Ursache für den verspäteten Bau der ideologiebesetzten
monumentalen Bauten in Österreich könnten durchaus die fehlenden finanziellen Mittel
gewesen sein und nicht, wie oftmals behauptet, die verspätete Reaktion des Regimes. Ich
weise schon jetzt auf ähnliche Finanzierungsstrategien bei der Durchführung von Kirchen-
und Repräsentativbauten hin.
2 4 1 Die Denkmäler des Ständestaates
Kurz nach der Errichtung des autoritären Ständestaats wurde das Denkmal der Republik714
als wichtigstes republikanisch-demokratisches Symbol mit Kruckenkreuzfahnen verhüllt.
An dessen Stelle wurde die Errichtung eines Denkmals der Arbeit zur Befriedigung der
Arbeiterschaft als ein erstes Projekt des neuen Regimes geplant. 1934 wurde dafür ein
Wettbewerb initiiert,715 den Siegfried Theiss, Hans Jaksch, Werner Theiss und Franz Opitz
gewannen. Das Denkmal kam jedoch nicht zur Aufstellung.716
Die ideologische Umwertung von symbolischen Orten des Roten Wien wurde im Stän-
destaat weitgehend durch Verhüllungen, weniger durch forcierten Abriss sozialdemokra-
tischer und republikanischer Denkmäler bewerkstelligt. Die Initiative für Abtragungen
ging meist nicht vom Regime und der Verwaltung aus, sondern von Privatpersonen.717 Die
Umbenennung von symbolischen Straßennamen in sogenannte unpolitische wurde von
der Verwaltung bis Dezember 1934 hingegen sehr schnell durchgeführt.718 Trotzdem kam
es zu verwaltungstechnischen Verzögerungen, wodurch beispielsweise der Karl-Marx-Platz
bis zum 1. Februar 1936 bestehen bleiben konnte.719
Erst mit der Ermordung von Engelbert Dollfuß während des nationalsozialistischen
Putschversuches am 25. Juli 1934 wurde ein zentrales Thema für die Ausgestaltung der
ständestaatlichen Denkmäler gefunden,720 das eine umfassende Denkmalflut auslöste.721
713 Bodenschatz, Diktatorischer Städtebau, in: Mattioli, Steinacher (Hg.), Faschismus, 2009, S. 46 f.
714 Das von Anton Hanak geschaffene Denkmal wurde am 12. November 1928, dem zehnten Jahrestag der Republik, an
der Ringstraße vor dem österreichischen Parlament enthüllt, vgl.: Seiter, Denkmäler, in: Riesenfellner (Hg.), Steinernes
Bewußtsein I, 1998, S. 420.
715 Grassegger, Denkmäler, in: Ebd., S. 497–500.
716 Vasak, Kulturpolitik, 1996, Diplomarbeit, S. 34.
717 Grassegger, Denkmäler, in: Riesenfellner (Hg.), Steinernes Bewußtsein I, 1998, S. 501 f.
718 Alois Sillaber, Straßennamen: Wegweiser zur Identität, in: Ebd., S. 587 f.
719 Hautmann, Hautmann, Gemeindebauten, 1980, S. 174–178.
720 Grassegger, Denkmäler, in: Riesenfellner (Hg.), Steinernes Bewußtsein I, 1998, S. 502.
721 Ebd., S. 497.
Open Access © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien Köln Weimar
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Titel
- Das Schwarze Wien
- Untertitel
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Autor
- Andreas Suttner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 296
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918