Seite - 199 - in Das Schwarze Wien - Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
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Fazit des ständestaatlichen Städtebaus 1934 bis 1938 | 199
schuld. Die Vaterländische Front adaptierte dafür Finanzierungsstrategien des Kirchenbaus,
in der freiwillige und unfreiwillige Spender den Bau 1937 mittels des sogenannten Front-
arbeitsopfers ermöglichen sollten. Die emotionale Verbundenheit zum Regime sollte als
nützlicher Nebeneffekt gestärkt werden. Das Bauvorhaben scheiterte an der wirtschaftli-
chen Krise, überzogenen finanziellen Erwartungen und dem nahenden Anschluss.
Der sachliche Monumentalstil der Verwaltungsgebäude und der Bauten der Bewegung
ist durchwegs vergleichbar mit den Ideen des faschistischen Italien und des nationalsozi-
alistischen Deutschland. In der stilistischen Ausprägung der Monumentalbauten findet
sich jedoch ein direkter Bezug zur konstruierten Österreich-Ideologie des Dollfuß-/Schusch-
nigg-Regimes. Bei der Frontführerschule verdeutlicht der Hinweis auf die christliche Gemein-
schaft, durch die Kulissenhaftigkeit der Kapelle vor dem runden, antik anmutenden Ver-
sammlungsplatz, die Ziele des Regimes für die ständestaatliche Jugend. Beim Fronthaus
offenbart die Ausgestaltung des Mittelrisalites die verwaltungstechnische und politische
Funktion des Verwaltungsgebäudes der Vaterländischen Front. Die Wappen der Bundeslän-
der und die Zeichen der acht Stände werden symbolisch unter dem Kruckenkreuz und
dem goldenen Doppeladler mit dem Bundeswappen zusammengeführt.
Inwieweit der österreichische Ständestaat mit Monumentalbauten merkbar in das Bild
der Stadt eingegriffen hätte, kann heute nicht mehr abgeschätzt werden. Die Durchführung
der Großprojekte wäre aber, wenn es die finanzielle Situation und die Einigungsfähigkeit
der Wiener Stadtbeamtenschaft erlaubt hätte, sicherlich forcierter in Angriff genommen
worden.
2 5 4 Ausblick
Was bleibt vom Ständestaat? Nachdem 1938 die zahlreichen Denkmäler des Ständestaates
abgetragen und die Straßen- und Platznamen durch Umbenennungen bereinigt worden
waren, blieb nichts als eine gewaltige Infrastruktur an katholischen Kirchenbauten übrig.
Die Fassaden der Häuser des Assanierungsfonds und des Kleinwohnungshausförderungsge-
setzes unterscheiden sich visuell kaum von der Architektur der späten Gemeindebauten
des Roten Wien und der Wohnhäuser der Nachkriegszeit. Sie treten deshalb nicht als
bewusste Architektur des Ständestaates in Erscheinung. Insgesamt blieb der Ausbau Wiens
unter der ständestaatlichen Verwaltung Stückwerk.
Sieht man sich die Entwicklung der Bautätigkeit Österreichs und speziell Wiens nach
1945 an, erkennt man das konsensuelle Nebeneinanderstehen aller Finanzierungsmodelle
der Zwischenkriegszeit. Nicht nur die Gemeindebautätigkeit839 wurde wieder aufgenom-
839 Bereits 1947 wurde der soziale Wohnungsbau in Wien wieder aufgenommen. Bis 1955 konnten ca. 50.000 Wohnun-
gen geschaffen werden, vgl.: Stadtbauamt der Stadt Wien (Hg.), Der soziale Wohnungsbau der Stadt Wien, Wien, 1956,
S. 32.
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Titel
- Das Schwarze Wien
- Untertitel
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Autor
- Andreas Suttner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 296
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918