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unverändert herrscht bei Tag und Nacht, lächle beruhigt und sinke mit
gelösten Gliedern in noch tieferen Schlaf. Arme Wanderer ohne Haus, auf
Landstraßen, in Wäldern, bestenfalls verkrochen in einen Blätterhaufen oder
in einem Rudel der Genossen, ausgeliefert allem Verderben des Himmels und
der Erde! Ich liege hier auf einem allseits gesicherten Platz – mehr als fünfzig
solcher Art gibt es in meinem Bau – und zwischen Hindämmern und
bewußtlosem Schlaf vergehen mir die Stunden, die ich nach meinem Belieben
dafür wähle.
Nicht ganz in der Mitte des Baues wohlerwogen für den Fall der äußersten
Gefahr, nicht geradezu einer Verfolgung, aber einer Belagerung, liegt der
Hauptplatz. Während alles andere vielleicht mehr eine Arbeit
angestrengtesten Verstandes als des Körpers ist, ist dieser Burgplatz das
Ergebnis allerschwerster Arbeit meines Körpers in allen seinen Teilen.
Einigemal wollte ich in der Verzweiflung körperlicher Ermüdung von allem
ablassen, wälzte mich auf den Rücken und fluchte dem Bau, schleppte mich
hinaus und ließ den Bau offen daliegen. Ich konnte es ja tun, weil ich nicht
mehr zu ihm zurückkehren wollte, bis ich dann nach Stunden oder Tagen
reuig zurückkam, fast einen Gesang erhoben hätte über die Unverletztheit des
Baues und in aufrichtiger Fröhlichkeit mit der Arbeit von neuem begann. Die
Arbeit am Burgplatz erschwerte sich auch unnötig (unnötig will sagen, daß
der Bau von der Leerarbeit keinen eigentlichen Nutzen hatte) dadurch, daß
gerade an der Stelle, wo der Ort planmäßig sein sollte, die Erde recht locker
und sandig war, die Erde mußte dort geradezu festgehämmert werden, um den
großen schöngewölbten und gerundeten Platz zu bilden. Für eine solche
Arbeit aber habe ich nur die Stirn. Mit der Stirn also bin ich tausend- und
tausendmal tage- und nächtelang gegen die Erde angerannt, war glücklich,
wenn ich sie mir blutig schlug, denn dies war ein Beweis der beginnenden
Festigkeit der Wand, und habe mir auf diese Weise, wie man mir zugestehen
wird, meinen Burgplatz wohl verdient.
Auf diesem Burgplatz sammle ich meine Vorräte, alles, was ich über meine
augenblicklichen Bedürfnisse hinaus innerhalb des Baus erjage, und alles,
was ich von meinen Jagden außer dem Hause mitbringe, häufe ich hier auf.
Der Platz ist so groß, daß ihn Vorräte für ein halbes Jahr nicht füllen.
Infolgedessen kann ich sie wohl ausbreiten, zwischen ihnen herumgehen, mit
ihnen spielen, mich an der Menge und an den verschiedenen Gerüchen freuen
und immer einen genauen Überblick über das Vorhandene haben. Ich kann
dann auch immer Neuordnungen vornehmen und, entsprechend der
Jahreszeit, die nötigen Vorausberechnungen und Jagdpläne machen. Es gibt
Zeiten, in denen ich so wohlversorgt bin, daß ich aus Gleichgültigkeit gegen
das Essen überhaupt das Kleinzeug, das hier herumhuscht, gar nicht berühre,
was allerdings aus anderen Gründen vielleicht unvorsichtig ist. Die häufige
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Buch Der Bau"
Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik