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Atmosphäre einer großen Gefahr zu geraten, mir ist manchmal, als verdünne
sich mein Fell, als könnte ich bald mit bloßem kahlem Fleisch dastehen und
in diesem Augenblick vom Geheul meiner Feinde begrüßt werden. Gewiß,
solche Gefühle bringt schon an und für sich der Ausgang selbst hervor, das
Aufhören des häuslichen Schutzes, aber es ist doch auch dieser Eingangsbau,
der mich besonders quält. Manchmal träume ich, ich hätte ihn umgebaut, ganz
und gar geändert, schnell, mit Riesenkräften in einer Nacht, von niemandem
bemerkt, und nun sei er uneinnehmbar; der Schlaf, in dem mir das geschieht,
ist der süßeste von allen, Tränen der Freude und Erlösung glitzern noch an
meinem Bart, wenn ich erwache.
Die Pein dieses Labyrinths muß ich also auch körperlich überwinden, wenn
ich ausgehe, und es ist mir ärgerlich und rührend zugleich, wenn ich mich
manchmal in meinem eigenen Gebilde für einen Augenblick verirre und das
Werk sich also noch immer anzustrengen scheint, mir, dessen Urteil schon
längst feststeht, doch noch seine Existenzberechtigung zu beweisen. Dann
aber bin ich unter der Moosdecke, der ich manchmal Zeit lasse – so lange
rühre ich mich nicht aus dem Hause-, mit dem übrigen Waldboden
zusammengewachsen, und nun ist nur noch ein Ruck des Kopfes nötig und
ich bin in der Fremde. Diese kleine Bewegung wage ich lange nicht
auszuführen, hätte ich nicht wieder das Eingangslabyrinth zu überwinden,
gewiß würde ich heute davon ablassen und wieder zurückwandern. Wie? Dein
Haus ist geschützt, in sich abgeschlossen. Du lebst in Frieden, warm, gut
genährt, Herr, alleiniger Herr über eine Vielzahl von Gängen und Plätzen, und
alles dieses willst du hoffentlich nicht opfern, aber doch gewissermaßen
preisgeben, hast zwar die Zuversicht, es zurückzugewinnen, aber läßt dich
doch darauf ein, ein hohes, ein allzuhohes Spiel zu spielen? Es gäbe
vernünftige Gründe dafür? Nein, für etwas derartiges kann es keine
vernünftigen Gründe geben. Aber dann hebe ich doch vorsichtig die Falltüre
und bin draußen, lasse sie vorsichtig sinken und jage, so schnell ich kann,
weg von dem verräterischen Ort.
Aber im Freien bin ich eigentlich nicht, zwar drücke ich mich nicht mehr
durch die Gänge, sondern jage im offenen Wald, fühle in meinem Körper
neue Kräfte, für die im Bau gewissermaßen kein Raum ist, nicht einmal auf
dem Burgplatz, und wäre er zehnmal größer. Auch ist die Ernährung draußen
eine bessere, die Jagd zwar schwieriger, der Erfolg seltener, aber das Ergebnis
in jeder Hinsicht höher zu bewerten, das alles leugne ich nicht und verstehe es
wahrzunehmen und zu genießen, zumindest so gut wie jeder andere, aber
wahrscheinlich viel besser, denn ich jage nicht wie ein Landstreicher aus
Leichtsinn oder Verzweiflung, sondern zweckvoll und ruhig. Auch bin ich
nicht dem freien Leben bestimmt und ausgeliefert, sondern ich weiß, daß
meine Zeit geniessen ist, daß ich nicht endloser hier jagen muß, sondern daß
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Buch Der Bau"
Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik