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mein Glück zu finden, wie fest mich der Bau, wäre ich darin, zu sichern
imstande wäre. Nun, es gibt ein schnelles Aufschrecken aus kindischen
Träumen. Was ist es denn für eine Sicherung, die ich hier beobachte? Darf ich
denn die Gefahr, in welcher ich im Bau bin, überhaupt nach den Erfahrungen
beurteilen, die ich hier draußen mache? Haben denn meine Feinde überhaupt
die richtige Witterung, wenn ich nicht im Bau bin? Einige Witterung von mir
haben sie gewiß, aber die volle nicht. Und ist nicht oft der Bestand der vollen
Witterung die Voraussetzung der normalen Gefahr? Es sind also nur Halb-
und Zehntelversuche, die ich hier anstelle, geeignet, mich zu beruhigen und
durch falsche Beruhigung aufs höchste zu gefährden. Nein, ich beobachte
doch nicht, wie ich glaubte, meinen Schlaf, vielmehr bin ich es, der schläft,
während der Verderber wacht. Vielleicht ist er unter denen, die achtlos am
Eingang vorüberschlendern, sich immer nur vergewissern, nicht anders als
ich, daß die Tür noch unverletzt ist und auf ihren Angriff wartet, und nur
vorübergehen, weil sie wissen, daß der Hausherr nicht im Innern ist oder weil
sie vielleicht gar wissen, daß er unschuldig nebenan im Gebüsch lauert. Und
ich verlasse meinen Beobachtungsplatz und bin satt des Lebens im Freien,
mir ist, als könnte ich nicht mehr hier lernen, nicht jetzt und nicht später. Und
ich habe Lust, Abschied zu nehmen von allem hier, hinabzusteigen in den Bau
und niemals mehr zurückzukommen, die Dinge ihren Lauf nehmen zu lassen
und sie durch unnütze Beobachtungen nicht aufzuhalten. Aber verwöhnt
dadurch, daß ich solange alles gesehen habe, was über dem Eingang vor sich
ging, ist es mir jetzt sehr quälend, die an sich geradezu Aufsehen machende
Prozedur des Hinabsteigens durchzuführen und nicht zu wissen, was im
ganzen Umkreis hinter meinem Rücken und dann hinter der
wiedereingefügten Falltür geschehen wird. Ich versuche es zunächst in
stürmischen Nächten mit dem schnellen Hineinwerfen der Beute, das scheint
zu gelingen, aber ob es wirklich gelungen ist, wird sich erst zeigen, wenn ich
selbst hineingestiegen bin, es wird sich zeigen, aber nicht mehr mir, oder auch
mir, aber zu spät. Ich lasse also ab davon und steige nicht ein. Ich grabe,
natürlich in genügender Entfernung vom wirklichen Eingang einen
Versuchsgraben, er ist nicht länger als ich selbst bin und auch von einer
Moosdecke abgeschlossen. Ich krieche in den Graben, decke ihn hinter mir
zu, warte sorgfältig, berechne kürzere und längere Zeiten zu verschiedenen
Tagesstunden, werfe dann das Moos ab, komme hervor und registriere meine
Beobachtungen. Ich mache die verschiedensten Erfahrungen guter und
schlimmer Art, ein allgemeines Gesetz oder eine unfehlbare Methode des
Hinabsteigens finde ich aber nicht. Ich bin infolgedessen noch nicht in den
wirklichen Eingang hinabgestiegen und verzweifelt, es doch bald tun zu
müssen. Ich bin nicht ganz fern von dem Entschluß, in die Ferne zu gehen,
das alte, trostlose Leben wieder aufzunehmen, das gar keine Sicherheit hatte,
das eine einzige ununterscheidbare Fülle von Gefahren war und infolgedessen
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Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik